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Weltkongress in Bologna

Wissenschafter einig
Die Teilnehmer aus Europa, Japan, Indien, Russland und den USA waren sich einig, daß alle Anstrengungen unternommen werden müssten, um Alternativen für den Gebrauch lebender Tiere für die Forschung, Testung und Ausbildung zu finden. Zwei Projekte erhielten besonders große Aufmerksamkeit: Die Forschungsergebnisse des Arztes Dr. Bjoern Ekwall aus einem zytotoxikologischen Labor in Schweden und das Projekt des Wissenschafters Dr. Rodger Curren vom Institute for In Vitro Sciences in Maryland, USA. Beide Projekte werden finanziell unter anderem von der in Boston ansässigen New England Anti-Vivisection Society (NEAVS) unterstützt.
Die 1895 gegründete, stets seriös agierende NEAVS ist die älteste amerikanische Organisation gegen Tierversuche und unterstützt finanziell wissenschaftliche Forschungen für Alternativen zu Tierversuchen. In den letzten zehn Jahren wurden finanzielle Mittel von 1,5 Millionen US Dollar aufgebracht.

Beendigung von Tierversuchen
Der Präsident dieser Gesellschaft, Dr. Capaldo: „Ziel der NEAVS ist es, sowohl die ethischen wie auch wissenschaftlichen Vorteile der Beendigung von Tierversuchen aufzuzeigen. Sobald die Wissenschafter erkannt haben, daß das Tierversuchsmodell sich durch in-vitro-Modelle, die vor allem auch wissenschaftlich vernünftiger sein können, ersetzen lässt, werden solche Methoden rapide zunehmen. Von diesen neuen Modellen werden die Wissenschaft und die Menschen profitieren und zudem das Leben zahlloser Tiere gerettet werden.“

In-vitro Versuche verlässlicher
Dr. Ekwall’s Forschungsmodell beweist, daß die Voraussage von tierischen Reaktionen auf bestimmte chemische Stoffe nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können. Als Beispiel demonstrierte Dr. Ekwall, daß ein in-vitro-Test mit humanen Zellen die Toxizität mit einer Präzision von 77% vorhersagen kann, verglichen mit nur 65% bei der traditionellen LD-50-Methode (siehe Kästen), bei der die Dosis bestimmt wird, bei welcher 50% der Versuchstiere sterben. Die neue in-vitro Methode ist daher nicht nur zuverlässiger, sondern beendet auch das oft unvorstellbare Leiden zahlreicher Tiere, die toxischen Substanzen ausgesetzt werden. Derzeit werden allein in den USA nach Schätzungen etwa 20 – 40 Millionen Tiere für Versuchszwecke verwendet.

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Reagenzglas statt Tierversuch
von Dr. Hans Mosser

Jährlich werden weltweit Millionen von Tieren für Ausbildung, Forschung und Prüfung (von Arzneimittel, Kosmetika usw.) „geopfert“, darunter zahllose Hunde. Daß man aber von Tierversuchen nicht eins zu eins auf den Menschen schließen kann, weiß man spätestens seit der Contergan-Affäre, wo im Tierversuch keinerlei Mißbildungen der Nachkommenschaft aufgetreten sind, beim Menschen aber sehr wohl.

Wirksam und billiger
Argumente, um Tierversuche signifikant zu reduzieren, werden nur dann Erfolg haben (und um das geht es ja letztlich), wenn Alternativen vorhanden sind, die erstens mindestens genauso wirksam und zweitens billiger sind als Tierversuche. Diese beiden Tatsachen wiegen mehr als jedes ethische Argument!

Letaldosis 50
Um die Toxizität, also die Giftigkeit von Substanzen für den Menschen zu untersuchen, gilt noch immer die sog. LD-50-Methode (LD = Letaldosis). Dabei wird einer bestimmten Anzahl von Tieren die zu prüfende Substanz in ständig steigender Dosis verabreicht (je nach Fragestellung injiziert, inhaliert, auf die Haut oder in die Augen appliziert, unter die Haut gespritzt usw.). Die Dosis wird solange erhöht, bis 50% der Versuchstiere an der zu prüfenden Substanz zugrunde gegangen sind. Daß dieses Sterben nicht ohne Schmerzen und Qualen, die oft auch noch sehr lange andauern, für das Tier vor sich geht, ergibt sich aus der Methode.

Verlässlichere Ergebnisse
Auf dem Weltkongress in Bologna wurde vom Humanmediziner und Zytotoxikologen Dr. Björn Ekwall aus Schweden ein Projekt präsentiert, bei dem für Toxizitätsprüfungen nicht lebende Tiere verwendet werden müssen, sondern menschliche Zellkulturen, sozusagen in Reagenzgläsern gezüchtete Zellen von menschlichen Geweben. Dr. Ekwall bewies, daß seine Methode bei Toxizitätsprüfungen der LD-50-Methode überlegen ist. Damit könnte, wenn diese Methode zunehmend angewendet wird, das Leiden zahlloser Tiere verhindert und ihre Leben gerettet werden.

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Alternativen zur Letaldosis 50?
Die Ergebnisse von Dr. Bjoern Ekwall, übersetzt und zusammengefaßt von Dr. Hans Mosser

In den letzten zehn Jahren haben mehrere Arbeitsgruppen die Risikobewertung der Toxizität von Substanzen auf den Menschen untersucht, indem sie die LD-50-Methode, bei der Tiere geopfert werden müssen, mit in-vitro-Methoden (grob vereinfacht: Methoden an Zellkulturen im Reagenzglas) verglichen haben. Diese in-vitro-Methoden verwenden isolierte Zellrezeptoren, primäre Kulturen von hochspezialisierten Zellen sowie solche von undifferenzierten Zellen.

Reagenzglas (IC-50) statt Tierversuch (LD-50)
In Analogie zum LD-50-Versuch wird die Funktionshemmung und/oder strukturelle Zerstörung dieser Zellkulturen mit steigender Dosis der zu prüfenden Substanz bestimmt und als „IC-50“ (Inhibitory Concentration) bezeichnet. Die Methode selbst beruht auf dem Konzept der „Basal cytotoxicity Data“ (in weiterer Folge kurz als BC-Daten bezeichnet.
Im Rahmen verschiedener Studien wurden diese IC-50-Daten mit den bereits vorliegenden, aus Tierversuchen gewonnenen LD-50-Daten verglichen und miteinander korreliert. Die Ergebnisse belegen
– bei mehreren hundert chemischen Substanzen eine gute Korrelation zwischen der IC-50 von in-vitro Zellkulturen mit der LD-50 aus Tierversuchen
– eine ähnlich gute Korrelation zwischen der IC-50 und dem Nachweis sowie Grad von Irritationen bei Tierversuchen an Augen und Haut sowie Nachweis der Teratogenität (= Negative Auswirkungen auf die Nachkommenschaft), Immunotoxizität usw.
– eine gute Korrelation zwischen der IC-50 und dem Nachweis sowie Grad verschiedener Organtoxizitäten (Nervensystem, Leber, Niere usw.)
eine sehr gute Korrelation zwischen der IC-50 und akuten letalen menschlichen Blutkonzentrationen
– bei Verwendung physiologisch kultivierter Zellen gibt es bei der IC-50-Methode im Gegensatz zu Tierversuchen keine falsch positiven Ergebnisse.

Schlussfolgerungen
Aus diesen Ergebnissen können folgende praktische Schlüsse gezogen werden:
1.) BC-Daten können preisgünstig durch die Messung im IC-50-Test (siehe oben) an menschlichen primären Zellkulturen im Reagenzglas gewonnen werden, ohne Versuche an lebenden Menschen oder Tieren.
2.) Die BC-Daten repräsentieren die echte menschliche Toxizität für die Mehrzahl (80-90%) von unselektierten Chemikalien.
3.) BC-Daten, zusammen mit toxikokinetischen Daten (das sind Informationen über die Verteilung der toxischen Substanzen im Körper), können auch die Organspezifität der meisten Toxizitäten bestimmen und nachweisen.
4.) Die BC-Daten können für die Modellierung und Vorhersage der Organtoxizität (systemisch, Auge, Haut usw.) verwendet werden.
5.) Da die BC-Daten auf den toxischen Konzentrationen in Blut- und/oder Gewebsflüssigkeiten beruhen, muß dies zusätzlich mit toxikokinetischen Daten (z.B. aus in-vitro-Experimenten) kombiniert werden, um Vorhersagen über die toxische Dosis, Zielorgantoxizität und Toxizität von Metaboliten (Stoffwechselprodukten) möglich zu machen.