Blinde Welpen
Dr. Martin Gasperl betreibt seine Ordination im 6. Wiener Gemeindebezirk. Der engagierte Veterinär und Tierfreund hat schon häufig negative Erfahrungen mit Importhunden aus Zoohandlungen gemacht. Alle Fakten hat er gesammelt und akribisch geordnet. Wir haben uns zwei Fälle näher angesehen. Der des erst sieben Wochen alten Retrieverbabies liegt schon einige Monate zurück, doch Dr. Gasperl erinnert sich noch ganz genau an jede Einzelheit. Der Tod des kleinen Nicola erschüttert ihn noch heute. „Die Tierbesitzer waren Laien. Sie dachten, der seltsame Blick des blinden Welpen wäre typisch für Hundebabies." Um seine furchtbare Diagnose bestätigen zu lassen, schickte er Herrn. G. (Name der Redaktion bekannt) an die Veterinärmedizinische Universität Wien zu Österreichs bekanntestem Augenexperten, Prof. Dr. Ingo Walde. Noch am selben Tag konstatierte Prof. Walde übereinstimmend mit Dr. Gasperl beidseitige Synechie, eine angeborene Verwachsung der Iris. Der Hund konnte praktisch nicht sehen. Im Gespräch mit WUFF bestätigte Prof. Walde zudem, daß es sich bei dieser Erkrankung um eine erbliche handelt. Der Professor riet dem Tierbesitzer zur Euthanasie, um dem Welpen weiteres Leiden zu ersparen. Herr G. stimmte schweren Herzens zu. Nicola hatte nicht einmal sieben Wochen gelebt. Fairerweise muß angeführt werden, daß die Zoohandlung Lilli Auersberg Herrn G. den Kaufpreis zurückerstattete. Für den trauernden Tierbesitzer allerdings nur ein schwacher Trost.
Falscher Impfpass?
Am Kopf des Krankenprotokolls vermerkte der Augenspezialist der Uniklinik noch ein weiteres seltsames Detail, das zuvor bereits Dr. Gasperl aufgefallen war. Laut Impfpaß war der Welpe bereits im Alter von nur vier Wochen von der Wiener Tierärztin Dr. B. aktiv geimpft worden. Die Tierärztin betreut den Zoo Lilli Auersberg. Dr. Gasperl dazu: "Der Welpe war augenscheinlich falsch geimpft worden. Den verwendeten Puppy Impfstoff setzt man in der Regel erst ab der sechsten Lebenswoche ein. Oder aber es handelte sich um einen Phantasieimpfpaß." Wir versuchten Frau Dr. B. telefonisch zu kontaktieren, auch um nachzufragen, ob ihr denn die angeborene Krankheit des Welpen bei der Untersuchung nicht aufgefallen sei. Leider war die Tierärztin zu Redaktionsschluß laut Auskunft der Ordination verreist und wir müssen auf eine Stellungnahme bis zur nächsten Ausgabe warten.
7 Monate Haftung
Frau Auersberg von der gleichnamigen Tierhandlung konnten wir erfreulicherweise erreichen. Auf unsere Frage, ob es denn möglich sei, daß sie einen blinden Welpen verkauft hätte, meinte sie erst, sie könne sich das kaum vorstellen. An den Fall des Herrn G. erinnere sie sich im Moment nicht. Wenn dem aber so wäre wie geschildert, hätte der Käufer sicher eine Entschädigung erhalten. Sie wies weiters darauf hin, daß alle Hunde von einem Tierarzt untersucht und geimpft würden. Im Fall einer Beanstandung erhielten die Käufer entweder einen anderen Welpen oder eine dementsprechende Entschädigung. Und im übrigen sei sie verplichtet, für angeborene Erkrankungen, zu denen sie auch Hüftdysplasie zählte, bis sieben Monate nach dem Verkauf zu haften. Herr G. hätte den Hund jedoch nicht einschläfern dürfen, sondern ins Geschäft zurückbringen müssen.
Welpen zu früh der Mutterhündin entrissen
Dr. Martin Gasperl sieht die Sache allerdings anders. Für ihn ist nicht nur der Hundewelpe, sondern sind auch die Käufer Opfer, denn als Laien würden sie den Angaben eines Tierhändlers vertrauensvoll Glauben schenken. Zum Zeitpunkt des Verkaufes war der Golden Retrieverwelpe erst sechs (!) Wochen alt. Wie lange er sich davor in der Zoohandlung befand, weiß Dr. Gasperl nicht. Laut Gesundheitspaß wäre er zwei Wochen zuvor, also im Alter von vier Wochen, bereits geimpft worden. Dr. Gasperl dazu: „Aus meiner Praxis habe ich die Erfahrung, daß Hunde aus Tierhandlungen sehr oft schwer krank sind und zwar körperlich als auch seelisch. Das liegt zum einen daran, daß die Welpen meist zu früh von der Mutter getrennt werden (ein jüngerer Hund ist putziger, ist besser zu verkaufen), zum anderen daran, daß die Welpen gar nicht oder falsch geimpft sind. Die mitgelieferten Impfpässe sind oft das Papier nicht wert. Der Käufer, der meist zum ersten Mal einen Hund besitzt, nimmt an, das Tier sei ausreichend gegen Krankheiten geschützt, und geht erst zum Tierarzt, wenn das Tier schwer krank ist. Leider ist dem geschwächten Welpen oft nicht mehr zu helfen. Durch die frühe Trennung von der Mutter in einer wichtigen Zeit der Prägungsphase sind die Tiere verhaltensgestört, bleiben unrein, zeigen Zerstörungswut oder kläffen ständig, was sich oft nicht oder nur sehr schwer beheben läßt." Als Tierarzt sieht Dr. Gasperl in solchen Fällen den Tatbestand der Tierquälerei als gegeben.
Tierquälerei
Den Tatbestand der Tierquälerei sieht der Veterinär auch in einem anderen Fall erfüllt, den er derzeit in seiner Praxis betreut. Spanielwelpe Felix konnte zwar gerettet werden, doch auch er befand sich zum Zeitpunkt der ersten Visite in einem erbärmlichen Zustand. Herr Franz E. (Name der Redaktion bekannt) erwarb den Rassehund in der Zoohandlung Cats & Pets in der Wiener Wallensteinstraße. Der Hund wurde samt ungarischen Impfpaß verkauft. Nachdem der Welpe außergewöhnlich starken Wurmbefall aufwies, bezweifelt Dr. Gasperl die Glaubwürdigkeit der Impfeintragungen. „In all den Jahren als Tierarzt habe ich selten einen so starken Parasitenbefall erlebt. Der Zustand des Welpen läßt darauf schließen, daß er aus sehr verwahrlosten Verhältnissen stammen muß, d.h. auch das Muttertier total verwurmt gewesen sein muß. Ist das Muttertier entwurmt, können sich zwar schlummernde Larven im Gesäuge bilden, doch niemals zu einem so hochgradigen Befall führen." Aus diesem Grund nimmt Dr. Gasperl in solchen Fällen zuallererst eine Kotprobe. Sie ist für ihn ein Indikator dafür, ob eine Wurmkur durchgeführt wurde und wie das Tier gehalten wurde. Wir wollten natürlich auch den Tierhändler zu Wort kommen lassen und konnten den Betreiber der Cats & Pets Filiale Wallensteinstraße, Herrn Weiß, erreichen. Der Zoofachhändler dementierte die Vorwürfe und wies darauf hin, daß seine Betriebe in Wirklichkeit die wenigsten Beanstandungen von allen Tierhandlungen hätten. Außerdem sollten wir uns einmal um die österreichischen Züchter kümmern, welche nach seiner Ansicht unter dem Deckmantel der Tierfreundlichkeit Welpen verschachern (Stellungnahme siehe Kasten).
Ungereimtheiten
Zwei Fälle, die einige Fakten gemeinsam haben. Beide Hundebabies wurden in Zoohandlungen gekauft. Beide Welpen stammen aus dem ehemaligen Ostblock. Bei beiden gab es Ungereimtheiten bezüglich Impfstatus und Gesundheitspaß. Beide waren laut Auskunft der Händler von einem Tierarzt untersucht worden. Trotzdem waren beide Welpen krank. Tierleid, das vermeidbar wäre, wovon Dr. Martin Gasperl und viele seiner Kollegen überzeugt sind. „Hundewelpen haben in einer Zoohandlung nichts zu suchen. Sie werden dort oft den ganzen Tag herumgereicht und im Schaufenster präsentiert. Sie können kaum schlafen, weil sie ständig gestört werden. Welpen in diesem Alter verbringen den Großteil des Tages mit Fressen und Schlafen. Das können sie in einer Tierhandlung kaum. Allein das ist für mich bereits Tierquälerei."
WUFF bleibt dran
In unserer nächsten WUFF-Ausgabe berichten wir über weitere Fälle. Und auch Sie haben die Möglichkeit, zu Wort zu kommen. Wenn Sie selbst negative Erfahrungen mit Importwelpen gemacht haben oder sich zu diesem Thema äußern wollen, schicken Sie uns ein e-mail (mosser@wuff.at) oder Fax unter +43-(0)2772/55 81 14 oder Post an WUFF, Kennwort: Welpenhandel, A-3034 Maria Anzbach. Vergessen Sie eventuell auch Fotos ihres Vierbeiners nicht.
>>> WUFF – INFORMATION
Zoohändler: „Werde sicher nicht mit Welpenhandel aufhören"
WUFF konfrontierte den Betreiber der Wiener Cats & Pets Filiale Wallensteinstraße mit den Vorwürfen des Tierarztes Dr. Gasperl, der die Eintragungen im ungarischen Impfpaß des verkauften Spanielwelpen Felix bezweifelte. Herr Weiß konterte, daß ein Welpe, den er als entwurmt verkaufen würde, tausendprozentig entwurmt sei. Er lasse sich das so wie empfohlene weitere tierärztliche Behandlungen vom Kunden bestätigen. Manchmal sei aber eine einmalige Entwurmung nicht ausreichend. Er rate dann aber zu einer Wiederholung, die allerdings der Käufer durchführen müsse. Im übrigen würden alle Welpen einem Tierarzt vorgeführt. Erst nach der Untersuchung kämen sie in sein Geschäft.
Auf unsere Frage, ab welchem Alter er Hundewelpen ankaufen würde, meinte Herr Weiss, erst ab einem Alter von acht Wochen. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum andere Tierhändler Welpen in einem Alter anbieten, wo sie ihre Mutter noch brauchen. Das lehne er ab und verstehe, daß sich WUFF gegen solche Praktiken einsetzt.
Bezüglich des Spaniels Felix verwies Herr Weiss auf ein tierärztliches Gesundheitszeugnis von seinem Veterinär Dr. L., das bestätige, daß der Hund geimpft und mit Drontal entwurmt sei. Die Entwurmung mit Drontal sei allerdings in Ungarn durchgeführt worden und nicht von Dr. L.. Per Fax oder in Kopie wollte er uns das Schriftstück aber nicht zur Verfügung stellen. Es sei ein Dokument, das er nicht aus der Hand geben wolle. Wir könnten aber jederzeit Einsicht nehmen.
Konfrontiert mit den Vorwürfen von Dr. Gasperl reagierte Herr Weiss kämpferisch. Er lasse sich nichts unterstellen und diese Vorwürfe seien haltlos. Seine Zoohandlungen hätten im übrigen im Vergleich mit anderen ausgesprochen wenig Beanstandungen. Er halte die Hunde gut und werde sicher nicht mit dem Welpenhandel aufhören. Als Geschäftsmann unterliege er nun eben auch wirtschaftlichen Kriterien. Es wäre aber an der Zeit, einmal heimische Züchter ins Visier zu nehmen, von denen viele ihre Tiere unter sehr schlechten Bedingungen hielten und unter dem Deckmäntelchen der Tierfreundlichkeit Welpen verschachern würden. Er würde ohne weiteres Rassewelpen von österreichischen Züchtern ankaufen, wenn heimische Züchter zur Kooperation bereit wären.
>>> WUFF – INFORMATION
Kriminell: Blankoimpfpässe für Zoohandlungen
In WUFF wurde seinerzeit bereits ausführlich über die Kollaboration vereinzelter Tierärzte mit Zoohandlungen berichtet. Zwischenzeitlich ist der von WUFF aufgedeckte Fall des Dr. S., der Zoohandlungen Blankoimpfpässe verkaufte, wodurch Welpen als geimpft galten, obwohl sie es nicht waren, gerichtlich abgeklärt. Dr. S. wurde wegen gewerbsmäßigen Betruges verurteilt und erhielt auch mittlerweile drei Mal (!) von der Tierärztekammer eine Disziplinarstrafe von jeweils ATS 100.000,-. Bei den drei Malen wird´s nicht bleiben. Denn nach WUFF vorliegenden Informationen macht Dr. S. munter weiter. Mehr darüber im nächsten WUFF.