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Tierschutz ist Menschenschutz

Ein Gespräch mit einer prominenten Frau, die beweist, dass ein Engagement für Tierschutz und Umwelt auch in den Kreisen der Industrie keinen Gegensatz darstellen muß: Alexandra Oetker, Mitglied einer Großindustriellenfamilie, über die neuen deutschen Hundeverordnungen, die mittlerweile auch in Österreich bereits von einigen Landespolitikern (z.B. in Oberösterreich und Tirol) als Vorbild angesehen werden, sowie über allgemeine Fragen des Tierschutzes und nicht zuletzt über ethische Aspekte der Tier- und Menschenliebe.

MOSSER: Im Herbst des Vorjahres konnte ich auf einem Symposium in Düsseldorf Ihren Vortrag hören, der sich kritisch mit den neuen deutschen Hundeverordnungen auseinandergesetzt hat. Was sind Ihre Beweggründe, sich diesem Thema zu widmen?
OETKER: Da ist zum einen natürlich der tierschützerische Aspekt. Mit welcher Selbstverständlichkeit die Verantwortlichen hier entgegen ihrer Beteuerungen unseren Tierschutzgesetzen zuwiderhandeln, ist an sich schon schlimm genug. Hinzu kommt allerdings ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt. Wissen Sie, ich habe vor einigen Jahren eine inzwischen recht schlagkräftige politische Vorfeldorganisation mitbegründet, das Liberale Netzwerk, mit der Zielsetzung, liberales Gedankengut in Politik und Gesellschaft zu stärken und dem Begriff der Freiheit wieder den Stellenwert zu verschaffen, der ihm gebührt. Und genau diese Freiheit ist es, die durch die neuen Landeshundeverordnungen aufs höchste gefährdet ist. Elementare Grundrechte, in denen sich die Qualität eines jeden Rechtsstaates widerspiegelt, werden mit Füßen getreten.
MOSSER: Inwiefern? Können Sie mir das an Beispielen konkretisieren?
OETKER: Ich will nur drei Beispiele nennen: Da wird die Unschuldsvermutung, die für jeden Schwerstverbrecher bis zum Beweis seiner Schuld gilt, kurzerhand durch die Umkehr der Beweislast ausgehebelt. Das Recht auf Datenschutz wird eindeutig verletzt durch die Verpflichtung zur Vorlage des großen polizeilichen Führungszeugnisses für unbescholtene Hundehalter, und jetzt kommt der Gipfel: Die Bundesregierung hat kürzlich im Eilverfahren ein neues "Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde" abgesegnet, ohne übrigens im Vorwege eine von der FDP geforderte Expertenanhörung zuzulassen. Dieses Gesetz beinhaltet zum einen das Zucht-, Haltungs- und Importverbot für bundesweit vier Rassen, sowie alle Rassen, die auf Landesebene für gefährlich erklärt wurden. Bei uns in NRW allein 42! Für Besitzer dieser Hunde wurde außerdem der Art. 13 Grundgesetz (Unverletzlichkeit der Wohnung) massiv eingeschränkt. Im Klartext heißt das, dass diese Menschen demnächst mit einer Hausdurchsuchung ohne richterlichen Beschluss rechnen müssen.
MOSSER: Ein derartiger Eingriff in fundamentale Bürgerrechte ist doch in einer freien Gesellschaft eigentlich undenkbar!
OETKER: In der Tat! Aberwitzigerweise ist diese Entscheidung – für die mit Innenminister Schily ausgerechnet ein 68er verantwortlich ist – getroffen worden zu einem Zeitpunkt, in dem das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Zusammenhang ein Urteil gefällt hat, das diesem Gesetz diametral zuwiderläuft: Hier wird das Durchsuchen von Wohnungen ohne richterlichen Beschluss deutlich erschwert. Solch unverhältnismäßige Schritte unserer Regierung, die nicht nur unsere Rechtsstaatlichkeit untergraben und unser Grundgesetz klammheimlich aushöhlen, sondern auch noch das Denunziantentum staatlich fördern, sollten jeden mündigen Bürger in höchste Alarmbereitschaft versetzen.
MOSSER: Was kann man konkret tun, um diese Verordnungen zu ändern? Wie können sich betroffene Hundehalter wehren?
OETKER: Das ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Bei uns in NRW gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, die hier teilweise auch schon aktiv geworden sind, nicht die Möglichkeit, durch eine Normenkontrollklage gegen die neue Verordnung vorzugehen. Umso mehr hoffen wir auf eine Verfassungsklage gegen das neue "Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde" oder eine Normenkontrollklage auf Bundesebene. Diese Möglichkeiten werden von der FDP, mit der wir inzwischen eng zusammenarbeiten, derzeit geprüft. Als Privatinitiative oder Privatperson bleibt Ihnen nur die Möglichkeit, im Einzelfall eine Feststellungsklage zu machen. Jeder Hundehalter, der betroffen ist, sollte diese Möglichkeit wahrnehmen. Furcht vor der Obrigkeit ist hier fehl am Platze. Das betrifft zum Beispiel diejenigen, deren Wohnungen durchsucht wurden, deren Hunde willkürlich konfisziert wurden, die verantwortungslosen Schusswaffengebrauch der Polizei miterleben mussten, aber auch diejenigen, die für ihren Hund trotz bestandenen Wesenstests keine Maulkorbbefreiung bekommen oder plötzlich überhöhte "Kampfhundesteuer" zahlen müssen.
MOSSER: Erlauben Sie mir die saloppe Frage “wie kommen Sie als Mitglied einer Industriellenfamilie dazu, sich im Tierschutz zu engagieren?”
OETKER: Ich hatte schon als Kind eine extrem ausgeprägte Liebe zum Tier und zur Natur, da ergab sich beinahe zwangsläufig, dass ich mich für den Tierschutz und später dann neben der Politik auch für den Umweltschutz engagierte. Durch zwei meiner Hobbys, die Tierphotographie und das Reisen, kam ich vor vielen Jahren zum ersten Mal auf die Galapagosinseln. Ich war so begeistert von der Einzigartigkeit dieser Inseln, dass ich beschloss, Mitglied im WWF Deutschland zu werden, um zumindest einen kleinen Beitrag zu leisten zum Erhalt dieser letzten Paradiese. Dort kam ich vor acht Jahren in das Kuratorium, vor fünf Jahren wurde ich dann in den Stiftungsrat gewählt.
MOSSER: Sind diese Aktivitäten reine Privatangelegenheit von Frau Oetker? Wie steht Ihr Mann dazu?
OETKER: Dieses Engagement ist in der Tat meine Privatangelegenheit. Ich habe allerdings das große Glück, mit einem Mann verheiratet zu sein, der sich in seinem Unternehmen sehr für umweltpolitische Belange einsetzt. 1995 wurde er von der Zeitschrift "Capital" und vom WWF zum Umweltmanager des Jahres gewählt.
MOSSER: Tierschutz ist vom ethischen wie auch vom praktischen Aspekt her unteilbar. Deshalb werden in WUFF auch immer wieder Themen, welche die Haltung des Menschen zu den sog. "Nutztieren" betreffen, diskutiert und haben große Leserresonanz. Wie stehen Sie als Frau eines Großindustriellen zur Massentierhaltung, Tiertransporten, EU-Agrarpolitik usw., was ja gerade heute durch BSE und Maul- und Klauenseuche brandaktuell ist und uns allen unter die Haut geht.
OETKER: Wissen Sie, ich beschäftige mich schon seit knapp sechs Jahren sozusagen "nebenbei" mit den Themenbereichen EU-Exportsubventionen für Schlachtvieh, Massentierhaltung, Schlachtviehtransporte und Tierschutz. Es rüttelt an den Grundfesten meiner ethisch-moralischen Wertevorstellungen, wie man in den letzten 50 Jahren unsere bäuerliche Landwirtschaft in eine industrielle Agrarwirtschaft umgewandelt hat, bei der die Achtung vor dem Tier als Kreatur der Schöpfung auf der Strecke geblieben ist. Eine aberwitzige Subventionspolitik hat die Auswüchse unserer Landwirtschaft geradezu gefördert. Denken Sie z.B. an die 1989 EU-weit eingeführten Export-Subventionen für Schlachtvieh, die ja die Hauptursache für die grauenvollen Schlachtviehtransporte sind. Sie sollten damals dazu beitragen, den Rinderbestand abzubauen. Obwohl das eine Fehlkalkulation war – aufgrund der Attraktion der Prämie von damals DM 1.200 pro Tier zusätzlich zum Verkaufserlös, wurde die Rinderproduktion geradezu angeheizt – gibt es diese Subvention noch heute! Was wir derzeit erleben, ist entsetzlich. Ob Hormonskandale, die Schweinepest, BSE oder Maul- und Klauenseuche, immer sind die Tiere die Leidtragenden. Die unsinnigen, von Populismus und Aktionismus geprägten "marktbereinigenden" Tötungsaktionen unzähliger Nutztiere tragen in keiner Weise zur Lösung der eigentlichen Problematik bei. Hier handelt es sich, genau wie bei den Hundeverordnungen, um den äußerst durchschaubaren Versuch, den Bürgern eine Scheinsicherheit zu vermitteln.
MOSSER: Haben Sie einen Lösungsvorschlag?
OETKER: Ich bin der Meinung, dass in unserer Agrarpolitik ein völlig neuer, ganzheitlicher Ansatz erforderlich ist, bei dem die Regionalisierung eine bedeutende Rolle spielt, und der geprägt sein muss von einer radikalen Rückbesinnung auf ethisch-moralische Werte. Hier muss auch der Verbraucher mitspielen, er muß sich einfach klar machen, dass Qualität und Sicherheit ihren Preis haben. Wir sind es unseren Nutztieren schuldig, dass sie während der Aufzucht ihre natürlichen Lebensgrundlagen beibehalten können, das muss nicht zwangsläufig "öko" sein. Diese Tiere werden es uns danken, indem sie uns hervorragendes Fleisch liefern, das nicht gesundheitsschädlich ist und das wir auch unter tierschützerischen Aspekten mit gutem Gewissen essen können.
MOSSER: Zum Abschluss eine philosophisch-ethische Frage. Wir hören oft den Vorwurf, dass Tierliebe pathologisch sei, dass sie zumeist auf Kosten der Menschenliebe gehe. Was sagen Sie dazu?
OETKER: Diese Art der Argumentation zeugt von enormer Ignoranz. Tierliebe schließt doch die Liebe zu Menschen in keiner Weise aus! Der Mensch hat dem Tier als Kreatur der Schöpfung, als Mitgeschöpf, mit Verantwortungsgefühl und Achtung zu begegnen. Gerade in einer Zeit wachsender Brutalität und Kriminalität sollten die Entscheidungsträger erkennen, wie wichtig es ist, dem Tierschutz endlich mehr Gewicht zu verleihen. Eine Reihe amerikanischer Studien belegt übrigens, dass Gewaltverbrecher, also Menschen, die anderen Menschen Gewalt angetan haben, zu einem hohen Prozentsatz in ihrer Kindheit bereits zu abartigem Verhalten gegenüber Tieren geneigt haben. Das heißt, es besteht eine eindeutige Korrelation zwischen Gewaltbereitschaft gegenüber Mensch und Tier. Ebenfalls in Amerika gibt es wiederum interessanterweise auch eine Reihe von Versuchen, Gewalttäter mit Tieren zu therapieren, um auf diese Weise bei ihnen positive Emotionen freizusetzen und zu stärken. Menschen, die Tiere pfleglich behandeln, leisten meines Erachtens einen nicht zu unterschätzenden gesellschaftspolitischen Beitrag.
Nehmen Sie doch die eben angesprochenen Hundeverordnungen und Agrarpolitik: Gut gehaltene Hunde sind keine Gefahr für Menschen, und Nutztiere, deren Haltungsform sich an den natürlichen Bedürfnissen orientiert, sind robuster und liefern eindeutig gesünderes und besseres Fleisch. Auch hier gilt: Tierschutz ist Menschenschutz.
MOSSER: Ich danke für das Gespräch.

>>> WUFF STELLT VOR

Alexandra Oetker

Alexandra Oetker gehörte 1997 zu den Mitbegründerinnen des „Liberalen Netzwerkes“ in Deutschland und ist dort im bundesweiten Initiativkreis aktiv. Sie ist Stiftungsratsmitglied der Umweltstiftung WWF Deutschland (World Wide Fund for Nature) und Kuratoriumsvorsitzende einer westfälischen Umweltstiftung. Weiteres Engagement unter anderem in der “Interessengemeinschaft Mensch und Hund” auf Landes- und Bundesebene.
Private Notizen: Alexandra Oetker, in zweiter Ehe verheiratet mit dem Vorsitzenden der Oetker International GmbH, Dr. h. c. August Oetker, ist Mutter zweier erwachsener Kinder.