Tierheime sind Zufluchtsorte für geschundene und gequälte Mitgeschöpfe, denen Schlimmes angetan wurde, Auffangstationen für verwaiste Vierbeiner, die nach dem Tod ihrer Besitzer kein Zuhause mehr haben, Gnadenhof für alte oder kranke Tiere, die keiner mehr haben möchte – für die meisten aber eine reelle Chance für einen Neubeginn. Dass Tierheim nicht gleich Tierheim ist, soll eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien zeigen, die derzeit einige Heime unter die Lupe nimmt. Und auch wir stellen in den kommenden Ausgaben unterschiedliche Modelle und ihre Philosophien vor. Diesmal sind wir in Ternitz im südlichen Niederösterreich, wo ein kleines aber feines Tierheim errichtet wurde, das für mich in vielerlei Hinsicht nachahmenswert ist. Nicht nur die einzigartige familiäre Atmosphäre sondern auch die Tatsache, dass eine Gemeinde dieses Heim ganz allein aus Eigenmitteln finanzierte, machen es zu einem Pilotprojekt der Extraklasse.
Fast könnte man den flachen Bau hinter dem Autohaus im Ternitzer Gewerbegebiet übersehen, würde da nicht ein Tierrettungsfahrzeug vor dem Eingang stehen. Ohne Schnickschnack hat man hier in Anlehnung an das Vorzeige- Tierheim Krems eine kleinere Variante errichtet, die den Bedarf an Pflegeplätzen für herrenlose Tiere im Bezirk Neunkirchen abdeckt. Betritt man die kleine Eingangshalle des Heimes, spürt man sofort, hier sind Menschen mit Herz und Verstand am Werk. Elisabeth Platzky, Tierheimleiterin und Obfrau des betreibenden Tierschutzvereines Schwarzatal, stellt für mich jenen Typ Tierschützer dar, den ich mir für jede Gemeinde wünschen würde. Eine engagierte und besonnene Frau mit einem großen Herzen und dem Talent, mit Behörden, Politikern und anderen Vereinen zu kooperieren und ihre Ideen durch stete Überzeugungsarbeit voranzutreiben.
Ein Bürgermeister mit einem großen Herzen für Tiere
Bis vor einigen Jahren hatte sie herrenlose Tiere noch bei sich zu Hause untergebracht, eine großartige Leistung neben ihrem Beruf als Arzthelferin, den sie damals noch ausübte. Als der Andrang an Tieren immer weiter zunahm, gelang es ihr, einen wichtigen Mitstreiter für den notwendig gewordenen Bau eines eigenen kleinen Tierheimes zu gewinnen, den Bürgermeister und Landtagsabgeordneten Rupert Dworak. Er besuchte sie mit seinen Kindern, und noch heute hört Elisabeth Platzky die Worte seines damals siebenjährigen Sohnes: Die krebskranke alte Nina und Kater Eddie. Schauen Sie zwei mal hin! Das ist kein Katzensofa … „Papa, da musst du schon etwas tun. Die Tiere fressen ihnen ja das Haus zusammen:“ Ja, ganz Unrecht hatte der Knirps nicht, denn Türen, Stiegen und Bodenbelag zeigten bereits deutliche Spuren des Tierbestandes. Das war 2005. Bürgermeister Dworak begann, sich für den Bau eines eigenen Tierheims für den Bezirk stark zu machen und hoffte anfangs noch auf eine Beteiligung der umliegenden Gemeinden, allerdings vergebens. Doch Rupert Dworak gab nicht auf und konnte letztendlich die Mehrheit seiner Gemeinde für das Tierheim gewinnen. Bereits im Herbst 2007 erfolgte die Grundsteinlegung, ein Jahr später stand das neue Tierheim des Tierschutzvereins Schwarzatal! 560.000 Euro hat die Gemeinde Ternitz in den Neubau investiert und ist damit zur Tierschutz-Vorzeigegemeinde für ganz Österreich geworden!
Tierbetreuung in Wohlfühl-Atmosphäre
Vorbildlich ist nicht nur die Entstehung dieses Tierheims sondern auch die Betreung der vierbeinigen Schützlinge. Für bis zu 12 Hunde und bis zu 70 Katzen konzipiert, bietet es optimale Voraussetzungen, Tiere individuell und in fast familiärem Umfeld zu versorgen. Im Gegensatz zu großen Tierheimen leiden die untergebrachten Vierbeiner weitaus weniger unter Lärm und übermäßiger Stressbelastung. Die Athmosphäre wirkt entspannt, die Tiere ebenso, eine Wohltat! Vor jedem Hundezimmer hängen Brustgeschirre, Würgeketten sucht man in Ternitz erfreulicherweise vergebens. Auch das ist ein Indiz für kompetente moderne Hundehaltung. Frau Platzky betreut den gesamten Tierbestand gemeinsam mit einer Tierpflegerin, die auch beim Haus wohnt, und mehreren ehrenamtlichen Helfern. Ihren eigenen Beruf als Arzthelferin musste sie allerdings nach dreißig Jahren schweren Herzens an den Nagel hängen. Die Doppelbelastung Tierheimleitung und Betreuung ihrer eigenen Tiere zu Hause war einfach nicht mehr mit ihrem Beruf unter einen Hut zu bringen.
Und zu Hause ein Gnadenhof für „Senioren“…
Obwohl eigene Tiere in diesem Fall nicht ganz zutrifft, denn alle Vierbeiner stammen aus dem Tierschutz. Die meisten sind uralt oder gehandicapt und hätten kaum noch Vermittlungschancen. Zu Hause bei Elisabeth Platzky und ihrem Mann Helmut werden die vierbeinigen Omas und Opas liebevoll betreut und verwöhnt. Neun Hunde, 28 Katzen, 3 Hängebauchschweine, 7 Ziegen und 11 Enten, 1 Gans, 3 Zwergkaninchen und mehrere rekonvaleszente Tauben tummeln sich auf dem privaten Gnadenhof der Tierschützerin und dürfen dort ihren Lebensabend verbringen.
Modell „Ternitz“ fürs ganze Land
Ich würde mir das Modell Tierheim Ternitz als Vorlage für viele Bezirke und Gemeinden Österreichs und Deutschlands wünschen. Keine neuen Mammutprojekte, keine Massenansammlungen von Tieren in riesigen Landestierheimen, sondern stattdessen viele kleine Einheiten mit übersichtlichen und familiären Strukturen, die einige wenige Kommunen bzw. Bezirke betreuen. Das hätte viele Vorteile, zum einen niedrigere Betriebskosten, geringeren Mitarbeiterstand, einfachere Personalführung, geringere Fluktuation durch weniger Frustration. Zum anderen höhere Lebens- und Betreuungsqualität der untergebrachten Tiere, reduzierte Stressanfälligkeit, damit verbunden weniger Probleme mit stressbedingten Erkrankungen, bessere Vermittlungschancen und vieles mehr. Ternitz ist für mich das ideale Tierheimkonzept, klein, überschaubar und von einem engagierten Verein nach modernem Wissensstand bezüglich Tierbetreuung und Tierverhalten geführt. Noch fehlen Beschattungen für die Hundeausläufe, ein Freilaufgehege für Kaninchen und Meerschweinchen sowie ein kleiner Schwimmteich. Auch eine vereinseigene Homepage gehört noch zu den Zukunftsträumen. „Rom ist auch nicht an einem Tag gebaut worden“, hofft Elisabeth Platzky auf Unterstützung von Tierfreunden, um diese Ideen bald umsetzen zu können.