Das Volksbegehren für ein bundeseinheitliches Jagdgesetz beabsichtigt eine Reform im Sinne einer ökologischen und tierschutzgerechten Praxis. So soll der Abschuss von Hunden und Katzen verboten werden, denn der in den Jagdgesetzen der Bundesländer noch erlaubte oder sogar vorgeschriebene (!) Abschuss dieser Haus- und Kumpantiere ist eine völlig aus der Zeit gefallene Grausamkeit, sachlich durch nichts zu rechtfertigen.
Bitte unterzeichnen Sie das Volksbegehren für eine vernünftigere Jagd: https://bundesjagdgesetz.at
Als Auswuchs des Föderalismus leistet sich Österreich immer noch neun verschiedene Jagdgesetze! Landesgrenzen entscheiden darüber, welche Tiere geschossen werden dürfen und welche nicht, über Schonzeiten, ob immer noch grausam per Falle gejagt werden darf etc. Das Festhalten daran wird mit den unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern begründet. Aber Natur hält sich nicht an politische Grenzen. Schlüssig wären unter Umständen an biogeografische Zonen angepasste Jagdgesetze, etwa gültig für den Alpenraum oder die Gebiete nördlich der Donau. Aber darum geht es den Jagdverbänden der Bundesländer nicht, sondern einzig um die Sicherung von Macht und Pfründen.
Hunde und Katzen als „Raubzeug“
Der Abschuss freilaufender Hunde und Katzen wird als Hegemaßnahme gesehen – so wie man ja auch noch „Raubzeug“ (diesen tier- und lebensverachtenden Begriff findet sich immer noch in einigen Jagdgesetzen) abknallt – also alles, was das jagdlich geschätzte Niederwild, wie Hasen oder Fasanen gefährden kann. Darunter fallen die „üblichen Verdächtigen“, wie Steinmarder, Rotfuchs, aber auch Häher und andere Rabenvögel, Greifvögel, in Niederösterreich sogar der durch EU-Abkommen streng geschützte Goldschakal (!), der dort jahrüber ohne Schonzeit getötet wird. Auch der Wolf gilt in dieser Uralt-Jägerdenke als „Raubzeug“. Und unter „Raubzeug“ fallen auch freilaufende Katzen und Hunde, nicht natürlich die sakrosankten Hunde der Jäger oder gar die Autos auf unseren Straßen, denen pro Jahr immerhin etwa 60.000 Rehe und massenhaft andere Wildtiere zum Opfer fallen. Eigentlich sind Autos die schlimmsten aller „Raubzeuge“.
Verglichen mit den enormen Wildtier- und Vogelverlusten durch Landwirtschaft, Verkehr, Gebäude, Bodenversiegelung und Jagd spielen hierzulande freilaufende Hunde und auch Katzen so gut wie keine Rolle in der Gefährdung von gefährdeten Wildtieren. Zumal man Hunde nicht mehr streunen lässt und eine gelegentliche Reh- oder Hasenjagd durch einen nicht angeleinten Begleithund meist erfolglos bleibt. Natürlich töten Hunde gelegentlich noch Wildtiere und freilaufenden Katzen fallen jährlich immer noch Millionen von Vögeln zum Opfer. Ihre naturschutzbewussten HalterInnen sind daher eingeladen, darüber nachzudenken, ob man – wie in den Städten ja ohnehin üblich – den Katzen nicht auch im Haus beste Lebensbedingungen bieten kann. Es gibt also keinen „vernünftigen Grund“, dass Jäger Hunde und Katzen töten – und ein solcher wäre ja im Sinne des österreichischen Tierschutzgesetzes erforderlich. Es gilt sogar für die Landwirtschaft, bezeichnenderweise aber nicht für die Jagd, die sich auch in anderen Bereichen ihre eigenen Gesetze macht und sich zum Staat im Staate entwickelt hat.
Hunde und Katzen töten ist letztlich soziale Gewalt
Hunde und Katzen abschießen oder auch in Fallen fangen, um sie anschließend töten, wie gelegentlich mit Katzen praktiziert, ist also weder ökologisch zu rechtfertigen, noch und ethisch vertretbar, schon alleine deswegen, weil der „vernünftige Grund“ fehlt. Obwohl das Töten von Haustieren in den Jagdgesetzen noch vorgesehen ist, verzichten viele Jäger bereits darauf – auch weil sie wissen, dass Hunde und Katzen wichtige Tierkumpane und Sozialpartner ihrer Halter sind. Sie zu töten verursacht viel menschliches Leid, traumatisiert HalterInnen und vor allem auch die Kinder, denen noch weniger als Erwachsenen der „Sinn“ dieser Abknallerei zu erklären ist. Das Töten von Hunden und Katzen ist letztlich eine Form sozialer Gewaltausübung, die in einer humanen Gesellschaft keinen Platz hat. Es liegt der Verdacht nahe, dass manche Jäger Hunde und Katzen – oft vor den Augen ihrer Partnermenschen abschießen, um damit auf grausame Weise ihre Macht zu demonstrieren.
In immerhin 30 % der österreichischen Haushalte leben Hunde und/ oder Katzen. Daher sind sie für etwa 50 % der ÖsterreicherInnen nicht bloß irgendwelche Tiere, sondern meist geliebte Sozialgefährten, manchen Leuten sind sie sogar „Kinder“. Naserümpfen ist dazu nicht angebracht, weiß man doch heute durch immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, dass Kumpantiere gerade in einer Zeit multipler Krisen wichtige soziale Unterstützer ihrer Menschenpartner sind. Hunde verbessern die zwischenmenschliche Kommunikation und Vernetzung. Ein Leben in guter Beziehung besonders mit Hunden, fördert Wohlbefinden und Gesundheit der HalterInnen, die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern, hält ältere Leute länger selbstständig und beugt Altersdepression vor. Zudem fördern Tierpartner die Resilienz gegenüber psychischen Problemen. All das lässt den Schluss zu, dass Menschen an ein Leben mit Kumpantieren evolutionär angepasst und daher ohne sie „nicht ganz vollständig“ sind. Ein einziger Schuss zerstört all das.
Warum Jagd nicht gleich abschaffen?
Warum eigentlich einen Unterschied machen zwischen Kumpantieren und jagdbarem Wild? Ist Töten von Tieren überhaupt zu rechtfertigen? Sollte man die Jagd nicht gleich ganz abschaffen – aus einer konsequenten Ethik heraus oder auch aus tiefer Empathie allem Lebendigen gegenüber? Wenn immer mehr Menschen auf den Konsum tierischer Produkte verzichten – muss man dann nicht auch die Jagd abschaffen? Theoretisch wahrscheinlich schon, aber die Welt ist nun mal nicht schwarz oder weiß, die Realität und ihre Gestaltung wird vielmehr von Zwischentönen und Inkonsequenzen bestimmt. Den Status quo muss man nicht akzeptieren. Auch in menschlichen Gesellschaften ist der ständige Wandel – heute etwa in Reaktion oft die ökologischen Probleme erforderlich – die letztlich einzige Konstante. Dennoch orientieren sich die Realitäten – zumindest theoretisch – allenfalls in absolutistischen Systemen vollständig an Idealen.
So etwa rechtfertigt bzw. erfordert die starke Vermehrung mancher Wildtiere in unserer Kulturlandschaft deren Regulierung – allerdings im Sinne von ökologischem Management, nicht aber von Trophäenjagd. Heute bieten Land- und Forstwirtschaft Rehen, Rothirschen, Wildschweinen, teils auch Gämsen und anderen Wildtieren bei viel zu wenigen Beutegreifern eine derart gute Nahrungsbasis, dass ihre Populationen nahezu explodieren. Das schädigt nicht nur die Landwirtschaft (also den Verursacher selber), sondern verunmöglicht auch jene extensive Bewirtschaftung vor allem der Wälder, welche diese fit machen würde für ein sich rasch veränderndes Klima, sie optimiert für die Bindung von CO2 sowie als Lebensraum für eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Viel zu viele Rehe und Hirsche fressen die aufwachsenden Laub- und Tannenbäumchen, allenfalls bleiben die als Nahrung vergleichsweise unbeliebten Fichten über, deren Monokulturen aber bekanntlich sowohl ökologisch als auch ökonomisch immer problematischer werden.
Den „vernünftigen Grund“ für das Töten von Rehen, Hirschen und Wildschweinen gibt also die ökologische Situation vor. In Österreich leben derart viele Rehe und Hirsche, weil sie wie Nutztiere überhegt werden. Tatsächlich versagt die Jagd grandios in ihrer Hauptaufgabe, diese Wildtiere zu regulieren, wie der starke Verbiss von Österreichs Wäldern drastisch zeigt. Die bestehenden Abschusspläne sind unzureichend und werden oft gar nicht erfüllt. Es wird hier also nicht zu viel, sondern zu wenig geschossen. Wild schlägt den Wald, vor allem auch, weil die mit dem Grundbesitz verbundene Jagd bessere Erträge erwirtschaftet als das Holz. Letztlich verhindern viel zu geringe Holzpreise und die konservativen Einstellungen der Besitzer die Ökologisierung der Waldwirtschaft.
Freilich könnte man sich von großen Beutegreifern wie dem Wolf helfen lassen. So zeigte eine groß angelegte Langzeituntersuchung aus Deutschland vom Herbst 2023, dass Wölfe tatsächlich Rehe und Hirsche kontrollieren können, damit den nachwachsenden Wald begünstigen, die Kosten der Bewirtschafter senken und die Biodiversität erhöhen. Aber in Wolf, Bär, Luchs und Goldschakal nicht die Feinde zu sehen, sondern ökologisch und sogar ökonomisch wertvolle Arten mit Lebensrecht in unseren Natur- und Kulturlandschaften, erfordert viel Umdenken und Zusammenarbeit zwischen Waldbewirtschaftern und Jagd. All das hat natürlich rein gar nichts mit dem Abschuss von Hunden und Katzen zu tun, der ohne Wenn und Aber abzustellen ist.
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Zum Autor
Kurt Kotrschal, Prof. Univ. Vienna i.R., Sprecher der AG Wildtiere am Forum Wissenschaft & Umwelt.
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Aktuelle Bücher:
- Mensch. Woher wir kommen. Wer wir sind. Wohin wir gehen. Brandstätter 2019
- Der Wolf und wir. Wie aus ihm unser erstes Haustier wurde. Brandstätter 2022