Ein kleines Tierheim in Niederösterreich kämpft seit mehr als einem Jahrzehnt um ein neues Heim für seine Tiere. Das Tierasyl wurde einst viel zu klein dimensioniert und vor allem auf unsicherem Grund gebaut. Eine behördliche Untersuchung brachte jetzt endlich zu Papier, worauf der Vereinsvorstand seit vielen Jahren hinweist: Das Gebäude ist lebensgefährlich einsturzgefährdet, eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich. Jetzt muß der Tierheimbetrieb eingestellt werden. Eine Katastrophe für die gesamte Region und Tausende von Tieren, für die das Tierheim letzte Zuflucht war.
Ursprünglich Notlösung
Die Endlos-Story des Tierheimes in Krems a.d. Donau beginnt vor exakt 18 Jahren. Damals, im Jahre 1982, findet die feierliche Eröffnung des kleinen Heimes statt. Ursprünglich nur als Zwischenstation und Dependance für das große Wiener Tierheim vorgesehen, ist es mit nur sechs Hundezwingern, drei Notzwingern sowie Unterkünften für maximal dreißig Katzen ausgestattet. Damals ahnt noch niemand etwas von der Ablösung der Zweigvereine vom mächtigen Wiener Tierschutzverein und dem rapiden Anstieg herrenloser Tiere in der Region.
Untergrund gibt nach
Auch etwas anderes ahnen die Kremser Tierfreunde damals nicht: Der Untergrund ist völlig ungeeignet, das Haus auf Dauer zu tragen. Ein zugeschütteter Mühlbach verläuft direkt unter dem Gebäude. Dem Erdreich fehlt die Festigkeit, der Belastung standzuhalten. Schon nach wenigen Jahren wird offensichtlich, daß die Sicherheit des Gebäudes nur noch eine Frage der Zeit sein kann: Ein Vorstandsmitglied sinkt beim Rundgang durch den Hofbereich plötzlich bis zu den Hüften im nachgebenden Erdreich ein!
Obwohl das Heim erst wenige Jahre alt ist, wird Mitte der 80er Jahre ein anderes Grundstück für den neuen Tierheim-Standort gewidmet. Aus dem geplanten Neubau wird jedoch nichts. Auf dem Grundstück steht heute die Kremser Feuerwehr. Es wäre ohnedies eine Fehlinvestition gewesen. Das vorgesehene Areal liegt zu nahe am Siedlungsgebiet der Stadt.
Dramatische Zustände
Seit damals kämpft der Kremser Tierschutzverein verzweifelt um ein neues Zuhause für die vielen herrenlosen Tiere der Region. Mehr als sieben Bezirke sind es, die mittlerweile vom winzigen Heim betreut werden. Das entspricht einer Fläche von mehr als einem Viertel ganz Niederösterreichs! Die ehemalige Dependance ist zur Auffangstation eines riesigen Einzugsgebietes geworden.
Die Folge: Dramatische Zustände im Heim. Tiere müssen in WC, Badezimmer, Büro und Abstellraum untergebracht werden. Jeder verfügbare Winkel wird zum Notquartier für Vierbeiner umfunktioniert. Trauriger Spitzenstand: Über 70 Hunde und 180 Katzen. Das alles auf einigen hundert Quadratmetern!
„Abladedeponie“ für unerwünschte Tiere
Die drastische Überfüllung hat mehrere Ursachen. Zum einen macht sich die Ostöffnung und der damit verbundene Hundeimport- und schmuggel bemerkbar, zum anderen schließen zwei Tierheime der Region ihre Pforten. Einzig das Tierheim Krems verbleibt als „Abladedeponie“ für herrenlose und unerwünschte Vierbeiner. Mehr als siebenhundert Haus- und Wildtiere finden jedes Jahr Aufnahme im Heim und ein neues Zuhause bei Tierfreunden!
Niemand will zuständig sein
Die verzweifelten Verhandlungen mit Landes- und Kommunalpolitikern bleiben erfolglos. Niemand fühlt sich so recht für die Finanzierung des notwendigen Neubaues zuständig. Die Stadt Krems nicht, weil sie die vielen Tiere aus anderen Bezirken nicht mitfinanzieren will, die übrigen Bezirke nicht, weil sie nichts ins „ferne“ Krems investieren wollen. Das wohl auch, weil vielen Gemeinden nicht klar ist, daß eigentlich sie selbst für die Verwahrung herrenloser Findlinge zuständig wären. Ein Tauziehen um das geplante neue Heim beginnt, doch wie schon so oft bleiben die Tiere dabei auf der Strecke.
Drohendes Aus
Jetzt droht dem Kremser Tierheim das endgültige Aus. Das desolate Gebäude ist mittlerweile der Länge nach von fingerdicken Rissen durchzogen, der Untergrund senkt sich weiter ab. Die Zeit drängt!
Seit das Ergebnis der behördlichen Untersuchung bekannt ist, interessiert sich auch die Presse für die dramatischen Ereignisse rund um das Kremser Tierheim. Warum ist so lange nichts passiert, obwohl der akute Notstand bereits seit vielen Jahren bekannt war? Warum wurde kein neues Heim für herrenlose Tiere gebaut, obwohl ein großer Teil des Bundeslandes Niederösterreich auf die Unterbringungsmöglichkeiten im Kremser Heim angewiesen ist? Und wer bezahlt den dringenden Neubau?
Wenn die zuständigen Politiker jetzt nicht noch rechtzeitig handeln, ist es endgültig zu spät. Am 1. Oktober diesen Jahres muß das Gebäude geräumt werden, wenn bis dahin nicht mit dem Bau eines neuen Tierschutzheimes begonnen wurde. Dann gibt es für unzählige in Not geratene Vierbeiner keine Hilfe mehr.
Dabei könnte alles ganz anders sein, denn der Vereinsvorstand hat in den vergangenen Jahren bereits enorme Vorarbeit geleistet. Das Modell für ein Tierschutzheim nach neuesten tierpsychologischen Erkenntnissen wurde bereits 1997 entwickelt und vorgestellt. Der Plan wurde eingereicht, dazugehörende Betriebs- und Marketingkonzepte erarbeitet und auf einem Bausteinkonto schon einiges für die Inneneinrichtung des Hauses angespart. Auch ein Grundstück steht bereit. Auf 6000 Quadratmetern Grund soll das tiergerechte Vorzeigeheim mit strukturierten Ausläufen und Spielwiesen entstehen. Soll, denn konkrete Zusagen von Seiten des Landes gibt es noch nicht. Allerdings hat Landeshauptmann-Stv. Dr. Hannes Bauer, zuständiger Tierschutzpolitiker, Hilfe versprochen und will sich nach eigenen Aussagen für die Finanzierung des 18 Millionen-Projektes einsetzen.
Herbe Töne vom Bürgermeister
Harsche Töne kommen jedoch vom Bürgermeister der Stadt Krems. Er will plötzlich den Vorstand des Vereines für den baulichen Zustand des abbruchreifen Heimes verantwortlich machen. Ebenso kritisiert er die Überfüllung des Heimes durch das zu engagierte Agieren des Vorstandes bei der Rettung von Tieren. Vorwürfe, die weder Tierfreunde noch ehrenamtliche Helfer gelten lassen. Denn sie sind es, die seit vielen Jahren auf die jetzige Misere aufmerksam machen und um die Errichtung eines neuen tiergerechten Tierheimes kämpfen. Sie sind es auch, die das jetzige Heim und den 24-Stunden Tierrettungsbetrieb selbstständig finanzieren.
Unbedankter Einsatz
Jährlich zwei Millionen Schilling muß der Vorstand des Tierschutzvereines Krems bereitsstellen, um Futter, Tierarztrechnungen und Tierpfleger bezahlen zu können. Geld, das die Tierfreunde mühevoll durch Veranstaltungen, Flohmärkte und Spendenaktionen aufbringen. Für dieses Engagement gibt es keinen Schilling, denn der Vereinsvorstand arbeitet nicht nur völlig ehrenamtlich, sondern sogar unter Einsatz des eigenen Vermögens und der gesamten Freizeit. Daß sie dafür kein Dankeschön, sondern sogar ungerechtfertigte Kritik ernten, hält die Tierfreunde nicht davon ab, weiterhin für ein neues Heim zu kämpfen. „Wer sich für Schwache einsetzt, macht sich eben unbeliebt. Das Gefühl, tausenden Tieren geholfen zu haben, ist uns Dank genug.“
Besonders tragisch
Der Fall des Tierheimes Krems ist ein besonders tragischer. Doch ein Paradebeispiel dafür, welch geringen Stellenwert Tierschutz auf politischer Ebene einnimmt und wie gerne Tierleid als unbequeme Zeiterscheinung beiseite geschoben wird. Tiere haben eben keine Wählerstimmen, können sich nicht selbst helfen, auf ihre Not aufmerksam machen. Sie brauchen Menschen, die ihnen ihre Stimme leihen. Doch Idealismus allein reicht nicht aus, um Tieren effektiv helfen zu können. Tierschutz kostet auch Geld. Von Luft und Liebe allein bezahlen sich keine Rechnungen.
Lebende Fund„gegenstände“
Im Grunde wäre jede Gemeinde selbst für die ordentliche Verwahrung herrenloser Tiere zuständig und müßte sich durch Errichtung entsprechender Einrichtungen samt Tierrettungsfahrzeuge und geschultem Personal um die „lebenden Fundgegenstände“ kümmern. So unglaublich es klingt, per Gesetz sind herrenlose Tiere nichts anderes als eben „Fundgegenstände“. Es wäre an der Zeit, Tierschutz auch auf politischer Ebene jenen Stellenwert einzuräumen, den er in unserer Gesellschaft bereits einnimmt und Tiere als solches zu betrachten, was sie sind: Keine Gegenstände, sondern Lebewesen, die wie wir Schmerz empfinden und Recht auf Schutz und Fürsorge beanspruchen dürfen. Dazu gehört auch die Errichtung und Erhaltung von Tierheimen, denn sie sind die Basis für praktische Tierschutzarbeit.
Noch gibt es kein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. Die einzelnen Bundesländer haben die Tierschutzkompetenz für sich beansprucht. Tierschutz ist also Landessache.
Ein einfaches Finanzierungsmodell könnte deshalb in logischer Konsequenz viele Tierschutzprobleme lösen: Während die Schaffung und bauliche Unterstützung von regionalen Tierheimen durch die einzelnen Länder wahrgenommen wird, sollen die betreuten Gemeinden sich im Gegenzug an den Betriebskosten des jeweiligen Heimes beteiligen. Denn wer profitiert, soll dafür auch seinen Beitrag leisten! Ein solches Modell würde Österreichs Tierschutzarbeit wesentlich erleichtern, Arbeit, die von unseren Tierheimen tagtäglich und selbstverständlich geleistet wird.
>>> WUFF – INFORMATION
Tierheime: Wie finanziert?
Österreichs Tierheime finanzieren ihren Betrieb fast ausschließlich durch Spenden. Nur zu einem geringen Teil fließen öffentliche Subventionen in den Betrieb. Je nach Größe des Heimes und der Zahl der durchgehenden Tiere variieren natürlich die Erhaltungskosten, die vielerorts in Millionenhöhe gehen. Daß diese Gelder von ehrenamtlichen Vorständen in harter Arbeit aufgebracht werden, dafür gibt es von öffentlicher Seite nur wenig Anerkennung.
Dabei leisten Österreichs Tierheime tagtäglich harte und sogar gefährliche Arbeit, die nicht nur Tierfreunden, sondern der gesamten Bevölkerung zugute kommt. Wer wünscht sich schon Zustände wie in vielen südlichen und östlichen Nachbarländern, wo Legionen streunender Hunde und Katzen das Bild der großen Städte prägen?
>>> WUFF – INFORMATION
Neue Wege der Haltung in Tierheimen
Im nächsten WUFF stellen wir das Modell des geplanten neuen Tierschutzheimes in Krems vor, das mit seinem Konzept völlig neue Wege der Tierhaltung beschreitet. Das Modell wurde von WUFF-Redakteurin Andrea Specht nach Besichtigung unterschiedlichster Tierheime in Europa 1997 entworfen und vom Tierpsychologen Dr. Roger Mugford begutachtet und als vorbildhaft bewertet.
Für alle Tierfreunde, die das Tierheim Krems unterstützen wollen, gibt es bereits ein Bausteinkonto: Kremser Bank&Sparkassen AG , Kto.Nr. 0001-190180, BLZ 20228