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Die Sensation

Seit vielen Jahren verhandeln Niederösterreichs Tierschützer, allen voran der Präsident des N.Ö. Tierschutzverbandes, Prof. Gustav A. Neumann, mit den Landespolitikern für eine Lösung der Tierheimproblematik im Lande. Unermüdlich setzte sich Neumann für eine Aufnahme von Tierheimen im Raumplanungskonzept ein und erreichte vor einigen Jahren erstmalig ein fixes Tierschutzbudget in Niederösterreich. Die jährliche Finanzspritze von knapp zwei Millionen ist zwar ein willkommener Zuschuß für den Betrieb der sieben Tierheime und einige kleinere Vereine, doch zur Errichtung von Tierheimen reichte das Budget natürlich keinesfalls.
Der Anlaßfall des baufälligen und einsturzgefährdeten Tierschutzheimes in Krems (WUFF berichtete in der letzten Ausgabe) führte zu einem revolutionären und in ganz Europa einzigartigen Konzept, das der engagierte Landespolitiker Dr. Hannes Bauer jetzt präsentierte. Mittels Leasingfinanzierung sollen regionale Tierschutzheime errichtet, ausgebaut oder saniert werden. Für jedes Viertel in Niederösterreich ist ein zentrales Heim vorgesehen, zusätzlich ein weiterer Standort im Wiener Umfeld. Für jede der Regionen werden maximal 20 Millionen an Förderung zur Verfügung gestellt. Das Geld erhalten nicht die einzelnen Vereine, sondern das Land finanziert die Bauten über eine Rechtsträgergruppe, die entweder aus der Standortgemeinde oder dem betreuten Gemeindeverband gebildet wird. Die Tierschutzvereine betreiben diese Tierschutzheime und müssen auch wie bisher den Betrieb eigenständig finanzieren.

Der Geniestreich
Daß diese Lösung des Landesrates Dr. Hannes Bauer und des NÖ Tierschutzverband-Präsidenten Prof. Gustav A. Neumann ein Geniestreich ist, bezweifelt niemand, schon gar nicht jene, die seit vielen Jahren auf öffentliche Unterstützung und Anerkennung hoffen und endlich erleichtert aufatmen dürfen – Niederösterreichs Tierschutzheime. DANKE!

Ein Traum wird Wirklichkeit: Vorzeige-Tierheim Krems wird gebaut
Wie WUFF in seiner letzten Ausgabe berichtete, droht das winzige Tierheim in Krems an der Donau einzustürzen. Einst viel zu klein dimensioniert und auf ungeeignetem Grund gebaut, sinkt das Gebäude unaufhaltsam ab. Als einziges Heim in einem riesigen Einzugsgebiet ist es seit Jahren katastrophal überfüllt. Anfang Oktober drohte die endgültige Sperre aufgrund akuter Einsturzgefahr. Jetzt darf gefeiert werden, denn wenn alles gut geht, kann noch heuer mit dem Bau des neuen Tierschutzheimes Krems begonnen werden. WUFF wird das Pilotprojekt mit Bausteinaktionen unterstützen.

Neue Wege der Tierhaltung
Der Kremser Tierschutzverein beschreitet bei der Umsetzung des geplanten Tierheimbaues neue Wege. Das Konzept dazu existiert bereits seit mehr als zwei Jahren. Damals machte sich die Obfrau des Tierschutzvereines Krems, WUFF Redakteurin Andrea Specht, auf die Suche nach möglichen Haltungsformen für Hunde und Katzen. Sie reiste nach Ungarn, um im Zuge einer Hilfsaktion für Ungarns Streunerhunde, Großrudelhaltungen in Tierasylen zu beobachten. Bis zu siebzig Hunde lebten in manchen Auffanglagern mehr oder weniger reibungslos miteinander. Im Gegenzug dazu besuchte sie auch mitteleuropäische Heime mit herkömmlicher Einzelhaltung in endlosen Käfiganeinanderreihungen.

Beispielhaftes Konzept
In Hornbach im Schwarzwald traf sie schließlich auf das vorbildliche Tierheim der Tierschutzorganisation PRO ANIMALE, wo Hunde in mittelgroßen Gruppen von bis zu zwanzig Hunden leben. Aus ihren Beobachtungen im Schwarzwald-Heim und im Gespräch mit Tierverhaltensexperten, Tierärzten und Tierpflegern entstand ein Konzept, das beispielhaft ist in ganz Österreich. Das Modell wurde dem bekannten Tierexperten und Buchautor Dr. Roger Mugford vom Animal Behavior Centre in London vorgelegt und als vorbildlich gelobt. Derzeit wird es von Österreichs renommiertem Tierpsychologen Doz. Dr. Hermann Bubna-Littitz abschließend noch einmal unter die Lupe genommen.

An die Tiere anpassen
Das Pilot-Projekt von Andrea Specht zeichnet sich in erster Linie durch tiergerechte strukturierte Gehegeformen, großzügige Ausläufe und kurze Arbeitswege aus. Der engagierte Kremser Architekt DI Erich Millbacher setzte die Vorstellungen und Anforderungen in optimaler und kostengünstiger Weise um. Einfache und klare Linien sollen das Wesentliche betonen, denn in diesem Heim dreht sich alles um seine Bewohner, die Tiere. Nicht die Tiere sollen sich den Gegebenheiten anpassen müssen, sondern das neue Tierschutzheim wird den Bedürfnissen seiner Bewohner angepaßt. Nicht ein Heim mit Tieren soll es werden sondern ein Heim für Tiere!

Im Tierheim alles anders
Tiere sind anders als wir Menschen. Was uns gefällt und komfortabel erscheint, macht Hund und Katz’ noch lang’ nicht glücklich. Um also ein Heim für Tiere zu bauen, muß man ihre artspezifischen Bedürfnisse genau kennen und darauf Rücksicht nehmen. Hunde sind Rudeltiere und als solche hoch sozial begabt und kommunikativ. Im Familienverband übernimmt der Mensch die Funktion des Rudels und deckt so soziale Bedürfnisse ab. Im Tierheim abgeschoben sieht sich der Hund mit einer völlig veränderten Situation konfrontiert. Getrennt von seinem bisherigen (Menschen-)Rudel, alleingelassen in ungewohnter Umgebung, reagiert er verunsichert und gestreßt. Das Zusammensein mit Artgenossen hingegen erleichtert die Umstellung, mildert den Trennungsschmerz und führt zu Entspannung der Situation. Der Hund ist abgelenkt, beschäftigt, sein neues „Rudel“ kennenzulernen, fremdes Terrain zu erkunden, soziale Kontakte zu pflegen.
Bei herkömmlicher Einzelhaltung ist die Situationsbewältigung weitaus schwieriger. Ohne Beschäftigung und die Möglichkeit, soziale Bedürfnisse auszuleben, lebt er in widernatürlicher Isolation. Selbst wenn engagierte Tierpfleger die ihnen anvertrauten Hunde täglich aus dem Zwinger holen, bleiben sie doch den größten Teil der Zeit für sich allein gelassen. Streß, Aggression und Bewegungsstereotypien wie ständig im Kreis drehen oder hysterisches Gekläffe sind die Folge. In der Gruppe hingegen ist die Ablenkung groß, die Langeweile gering. Beobachtungsstoff gibt es immerzu und im Rudel ist der Hund rund um die Uhr in positiver Weise gefordert.

Strukturieren statt Käfigreihen
Im neuen Tierschutzheim Krems wird solchen Erkenntnissen Rechnung getragen. Die Innenräume der Hunde sind strukturiert und groß genug für Spielen, Rangeln oder Sich Zurückziehen. Unterschiedlich hohe Schlaf- und Ruheplätze verhindern Rangordnungskämpfe, Matratzen sorgen für Liegekomfort. Eine Sicherheitsschleuse beim Eingang soll das Herausnehmen eines Hundes aus dem Rudel erleichtern. Die Innenräume sind an die 25 m2 groß und durch Türen, Fenster und vor allem durchgehende Belichtung von oben hell und freundlich. Außen schließt sich ein ebenso großer, teilweise überdachter Vorplatz mit großer Spielwiese an. Wie eine kleine Landschaft wirken die Außengehege mit natürlichem Baum- und Buschbestand. Überdachte Tribünen mit stufenförmigen Aussichtsplätzen, Hundehütten mit flachen Dächern zum Daraufsitzen oder Röhren zum Durchklettern und Verstecken bieten Abwechslung und Beschäftigung. Die Trennung der einzelnen Gehege ist für die Hunde blickdicht und nach oben und unten hin so abgesichert, daß ein Überklettern oder Untergraben unmöglich ist. Vertragen sich zwei Rudel, so können Ausläufe auch zu einem riesigen Spielgebiet geöffnet werden. Variabilität ist wichtig.

Bessere Präsentation der Tierheimtiere
Nach außen hin sind die Spielgehege für Besucher und Beobachter einsichtig. Ein Spazierweg führt rund um die großzügige Anlage. Die Interessenten können die Hunde in entspannter natürlicher Umgebung beobachten und den künftigen Hausgenossen in Ruhe auswählen. Auch das ist ein wesentlicher Vorteil zu herkömmlicher Einzelhaltung. Während isolierte Hunde bei Besuchern oft gestreßt reagieren und wild bellend am Gitter hochspringen, sind die Rudelhunde durch die Beschäftigung miteinander ruhig und gelassen. Eine solcherart „attraktive“ Präsentation der Heimtiere führt unweigerlich zu einem positiveren Image von Tierheimen und motiviert Menschen, sich für ein Tier aus einem Tierschutzheim zu entscheiden.

Beschäftigungstherapie für Einzelhunde
Neben den Gruppengehegen stehen einige kleinere Einheiten für Hunde zur Verfügung, die aufgrund ihrer Rasse oder ihres Charakters nur einzeln oder zu zweit gehalten werden können. Ihnen müssen Beschäftigungsalternativen geboten werden, wie es im Tierschutzheim Krems bereits erfolgreich praktiziert wird. Ein mit Leckereien gefüllter Kong etwa sorgt für Ablenkung und fordert Phantasie und Geschicklichkeit beim Erlangen des Futters. Wichtig ist natürlich auch der ständige Kontakt mit Menschen. Das gilt allerdings für jeden der Heimbewohner. Deshalb gibt es in Krems seit vielen Jahren die „Spazierhunde-Aktion“. Tierliebe Menschen, die selbst keinen Hund halten können, holen Tierheimhunde zum Spaziergang.

Katzen sind „Augentiere“
Wie bei den Hunden, sind auch die Innen- und Außengehege der Katzen abwechslungsreich gestaltet. Die unterschiedlich großen Katzenzimmer zwischen 12 und 15 m2 und ebenso großen Ausläufen sind der Besucherseite zugewandt. Das hat zweierlei Gründe. Zum einen sind Katzen „Augentiere“ und beobachten gerne, zum anderen bellen Katzen nicht und schlagen nicht an, sobald sich ein Fahrzeug oder ein Besucher auf der Straße nähert. Im Gegensatz zu Hunden bevorzugen Katzen Versteckmöglichkeiten in allen Variationen. Bereits eine einfache Schachtel wird zum behaglichen Rückzugsort.
Wichtig ist es, Katzengehege in mehreren Ebenen zu strukturieren. Zu diesem Zweck werden im neuen Tierschutzheim Kletterbäume mit unterschiedlich hohen Sitz- und Liegebrettern in den Zimmern montiert. Die Außengehege sind teilweise überdacht und so strukturiert, daß die Zimmertiger von verschiedensten „Ausgucken“ möglichst viel an Umgebung beobachten können.

Ablehnung durch Unwissenheit
Die Haltung von Hunden in Rudeln stößt leider nicht überall auf Gegenliebe. Vielfach sind es aber nur mangelnde Information und Erfahrungswerte, die dieser Ablehnung zugrundeliegen. Meist wird die Gefahr möglicher Auseinandersetzungen und Raufereien völlig überschätzt. Sicher erfordert die Rudelhaltungsform intensive Betreuung und fundiertes Wissen. Nicht jeder Hund paßt zu jedem Rudel und kleine Tricks beim Eingewöhnen und Anfreunden der Tiere sind ebenso notwendig wie genaues Beobachten und Einschätzen. Und natürlich kann es einmal zu einem Raufhandel kommen, doch Auseinandersetzungen gibt es im Menschen- wie im Tierreich und fast immer geht ein solches Geplänkel mit viel Lärm doch ohne Schrammen ab. Und vor allem: Was wiegt das geringe Risiko eines kleinen Gerangels gegen die vielen Vorteile, die das Leben im Rudel für jeden einzelnen Hund bringt?

Ort der Begegnung
Das neue Tierschutzheim Krems soll keine Tierverwahrungsanstalt sein, sondern zu einem Ort der Begegnung zwischen Mensch und Tier werden. Es soll um Verständnis für unsere Mitgeschöpfe werben und Tierfreunden die Möglichkeit geben, Tiere zu beobachten und daraus zu lernen. Es soll offen sein für neue Ideen, Ausbildungsmethoden und Haltungsformen. Es soll Rahmen sein für Veranstaltungen und Information. Und natürlich soll es ein Heim sein. Ein Heim, wo Tiere in natürlichem und streßfreiem Umfeld auf ihre große Chance warten, ein liebevolles Zuhause in einer neuen Familie zu finden. Ein Haus für Tiere eben.

>>> WUFF – INFORMATION

Es muss auch ein Recht für Tiere geben
von Dr. Hannes Bauer, Landeshauptmannstellvertreter N.Ö.

Sie werden ausgesetzt, gefunden, aufgepäppelt, gesund gepflegt – sie sind Partner und Freund des Menschen und vor allem ein Teil der Schöpfung. Demut vor der Schöpfung bedeutet damit auch ganz besonders, sich um die Tiere zu kümmern, deren Schicksal vielleicht nicht so verläuft, wie wir Tierfreunde es uns alle wünschen. Dies war die Motivation dahinter, dass wir in Niederösterreich ein flächendeckendes Versorgungskonzept mit Tierheimen ausgearbeitet haben.
100 Millionen Schilling für die NÖ Tierheime – damit können dringend notwendige Neubauten verwirklicht und Ausbauten in Angriff genommen werden. Ich sehe dieses Konzept auch als Unterstützung für den dankenswerten Einsatz aller ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Funktionäre, die ihre Freizeit dem Tierschutz und dem Engagement in den Vereinen gewidmet haben. Das Land stellt nun die komplette bauliche Infrastruktur für die Tierheime zur Verfügung, die Arbeit wird damit erleichtert und damit eine flächendeckende Versorgung sichergestellt. Ich freue mich ganz besonders, dass Niederösterreich mit diesem Konzept eine Vorreiterrolle für ganz Österreich einnimmt, die sicher ihre Beispielwirkung nicht verfehlen wird.
Menschenrecht heißt auch Tierrecht verwirklichen – in Niederösterreich gehen wir diesen Weg mit Konsequenz.
Dr. Hannes Bauer
Landeshauptmannstellvertreter

>>> WUFF – INFORMATION

Meilensteine im Tierschutz
von Maggie Entenfellner, Leiterin der Tierecke in der Kronenzeitung

Es war ein Freudentag für alle Tierschützer, als der NÖ-Landesvize Dr. Hannes Bauer sein sensationelles Versorgungskonzept für die Tierheime Niederösterreichs vorstellte. Danach sollen 5 Tierheime nach den neuesten Erkenntnissen gebaut werden. 100 Millionen Schilling werden vom Land dazu zur Verfügung gestellt! Das Gelb-Blaue Bundesland übernimmt mit der Realisierung dieses Projektes in Österreichs Tierschutz, die Versorgung gestrandeter Kreaturen betreffend, die Vorreiterrolle, die hoffentlich ihre Beispielswirkung nicht verfehlen wird!
Ein Riesensprung in die richtige Richtung! Trotzdem kann sich niemand, dem Tiere am Herzen liegen und der sich für sie einsetzt, aufatmend zurücklehnen. Denn der Schutz unserer vierbeinigen oder gefiederten Freunde liegt noch immer im Argen! Tierquälern sind Tür und Tor geöffnet. Noch immer sterben in Österreichs in Versuchsanstalten und Laboratorien pro Jahr mehr als 100.000 Hunde, Katzen, Affen und Nager. Noch immer dürfen Hunden in manchen Bundesländern die Stimmbänder durchtrennt oder Schwänze und Ohren kupiert werden! In Kärnten konnte ein Hundeschlächter jahrelang sein Unwesen treiben und mit dem geduldeten Verkauf von Hundefett Geld schäffeln. Auch die Situation bei Schlachttiertransporten hat sich trotz zahlreicher Proteste nicht gebessert!
Dies alles ist auch deshalb möglich, da die Rechtslage von Bundesland zu Bundesland verschieden ist. Die Parteien streiten – und unsere Tiere leiden weiter. Nur ein einheitliches Gesetz könnte die Lösung bringen, denn Tiere empfinden überall gleich! Tatsache ist, es tut sich etwas! Immer mehr Teile der Bevölkerung, aber auch Politiker erkennen, dass Tiere fühlende Mitgeschöpfe und keine Sache sind, die man ohne Verantwortung entsorgen kann. Die richtige Richtung ist vorgegeben, doch nun stellt sich die Frage: Ist das Umdenken der Verantwortlichen nur „Augenauswischerei“ zur Beruhigung der Tierfreunde – oder beginnt mit dem zweiten Jahrtausend ein neues Zeitalter im Tierschutz? Das Zünglein an der Waage wird die Realisierung eines einheitlichen Bundestierschutzgesetzes sein.