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Die moderne Hexenverbrennung

Der Nachkomme jeden Hundes ist ein Hund, sowie auch der Nachkomme eines jeden zum Kämpfen mißbrauchten Hundes wiederum nur ein Hund ist. Kampfhund von Geburt kann ein Hund ebensowenig sein, wie ein Mensch allein durch seine Abstammung zum Verbrecher werden kann.

Ohne Individualschuld verurteilt
Im dritten Reich paßte es den Machthabern bestens in den Kram, mißliebigen Personen oder ganzen Volksgruppen abstammungsbedingte Wesenseigenschaften zu unterstellen, um sie auch ohne individuelle Schuld verfolgen, vertreiben und sogar töten zu können. Heute geht es nicht um den Menschen, sondern um Hunde. Dennoch ist die Argumentation völlig unverändert geblieben: Alle Mitglieder einer Rasse seien schon deshalb gefährlich, weil man irgendwo in Deutschland oder der Welt ein tatsächlich oder vermeintlich gefährliches Exemplar ausfindig gemacht zu haben glaubt. Weseneigenschaften ergeben sich – legt man das aktuelle Argumentationsniveau der österreichischen Politik zugrunde – allein durch die Abstammung eines Lebewesens. Ergo sollen alle Mitglieder einer Rasse keine Individuen, sondern „Wesen“ mit unveränderlichen und darüber hinaus völlig identischen Eigenschaften sein.

Nicht vergleichbar?
Ein Hoch auf das Schubladen-Denken! Früher schmähte der völkische Mob den „dummen Neger“ oder den „arbeitscheuen Levantiner“; die Erben der geistigen Brandstifter verleumden heute dutzende Hunderassen als „Kampfhunde“ und legitimieren somit vorsätzlich oder grob fahrlässig die abstrusen Rassetheorien der Nazis. Weit haben wir es nicht gebracht in den letzten fünfzig, sechzig Jahren!
All jenen, die an dieser Stelle meinen, Mensch und Hund könne man nicht vergleichen, sei gesagt: Die biologischen Prinzipien des Erbganges unterscheiden sich bei beiden Arten nicht im geringsten. Was modellhaft auf den Hund paßt, ist auch für den Menschen und jedes andere Säugetier gültig. Logischer Umkehrschluß: Paßt ein Modell nicht gleichzeitig auf Hund und Mensch, muß es aufgrund biologischer Gesetzmäßigkeit falsch sein!
Pitbull Terrier, Bull Terrier und Staffordshire Terrier sind nach den Vorkommnissen in Hamburg mit einem furchtbaren Ruf behaftet. Die Strafgesetze in Österreich gaben schon immer ausreichende Handhabe, straffällig gewordene Hundehalter wirkungsvoll und dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen.

Unschuldsvermutung gilt nicht mehr
Jeder Straftäter gilt so lange als unschuldig, bis er von einem ordentlichen Gericht verurteilt wurde. Ein Hundehalter gilt hingegen als schuldig, wenn sein Tier einer bestimmten Rasse angehört und nachweisbar niemandem Schaden zugefügt hat. Politiker zeigen in diesen Tagen ihre Verantwortung für Volk und Vaterland, indem sie lauthals Zucht- und Haltungsverbote fordern. Die Sensationsjournalisten der Boulevardpresse und einschlägig bekannte TV Magazine heizen die Stimmung zusätzlich an. Seit Wochen überbietet sich der deutsche TV Journalismus – Stern TV, Brisant, Akte2000 und Explosiv (um nur einige zu nennen) – gegenseitig in einer besonders blutrünstigen Form des Tendenzjournalismus, indem Hunde bestimmter Rasse wider besseren Wissens zu notorischen Massenmördern erklärt werden.
Die Debatte um die sogenannten „Kampfhunde“ ist von Hysterie geprägt und hat mittlerweile die Züge einer modernen Hexenverbrennung angenommen. Die Fähigkeit, Sachverhalte differenziert zu betrachten und frei von Rassismus zu beurteilen, scheint nicht wenigen Politikern abhanden gekommen zu sein.
Ich habe nicht die Absicht, Probleme schön zu reden, die im Zusammenhang mit der Haltung bestimmter Hunde entstehen können. Einen kleinen Prozentsatz der Hundehalter stellen Straftäter und Geltungssüchtige, die ihre Tiere dazu mißbrauchen, andere Menschen zu bedrohen, zu nötigen oder zu schädigen. Nicht die Liebe zum Tier ist hier als Motiv zur Hundehaltung anzusehen, sondern ein unbehandelter psychischer Defekt. Nach wie vor werden im Berlin des 21. Jahrhunderts Hundekämpfe veranstaltet. Mitglieder von Jugendbanden bewaffnen sich mit Hunden verschiedenster Rassen, um ihr pubertäres Geltungsbedürfnis zu befriedigen. Weiterhin ist unstrittig, daß auch einige andere Zeitgenossen charakterlich nicht zur Hundehaltung geeignet sind.

Persönliche Verantwortung
Die Annahme, Straftätern und Tierquälern könne man durch das simple Verbot einiger Hunderassen das Handwerk legen, zeugt von erstaunlicher Naivität (siehe Kasten). Viel erfolgversprechender erscheint, Täter persönlich zur Verantwortung zu ziehen. Zeitgenossen, die nicht über die charakterliche Eignung verfügen, einen Hund sicher zu führen und artgerecht zu halten, die an Hundekämpfen teilnehmen oder ihre Hunde auf den Angriff gegen Menschen trainieren, muß die Hundehaltung ohne Ausnahme untersagt werden. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Regelung ist, daß nicht nur die Umwelt vor den Hunden bestimmter Personen, sondern auch die Tiere selbst vor Mißbrauch geschützt werden könnten.

Keine Gefahr
Die unerquickliche Debatte zum Thema „Kampfhunde“ soll uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß der weitaus größte Teil dieser Tiere völlig unauffällig als Familienhunde leben. Es sind Hunde mit inniger Beziehung zum Menschen und angepaßtem Verhalten gegenüber Artgenossen. Viele seriöse Züchter legen Wert auf ausgeglichene, nervenstarke Hunde, deren Gefährdungspotenzial den Durchschnitt keineswegs übersteigt. Ein gut geprägter, sozialisierter und erzogener Bull Terrier stellt für die Öffentlichkeit keine größere Gefahr dar, als ein ebenso aufgezogener Deutscher Schäferhund. Lassen Sie sich also bitte nicht von dem alltäglichen Rassismus anstecken, einen Hundehalter nur deshalb zu ächten, weil er einen Staffordshire Mix statt eines West Highland Terriers an der Leine führt.



>>> WUFF – INFORMATION


Allheilmittel Haltungsverbot?

Als Allheilmittel soll uns das generelle Haltungsverbot für einige Hunderassen schmackhaft gemacht werden. Spielen wir das Verbot von zehn oder fünfzehn „Kampfhunderassen“ einmal mit allen Konsequenzen durch. Kein Mensch, der bisher mit bösen Absichten einen solchen Hundetyp gehalten hat, wird seine Ansichten aufgrund des Verbotes ändern. Die Nachfrage nach Hunden mit bestimmten Eigenschaften wird völlig unverändert bleiben. Innerhalb weniger Monate stellen die Tierfabriken in Osteuropa ihre Produktion auf Rassen um, an denen der Bann zunächst vorbeigegangen ist.
Aus mindestens 150 der bekannten 400 Hunderassen lassen sich innerhalb weniger Hundegenerationen Mischlinge mit Eigenschaften züchten, die denen eines Pitbull Terriers in nichts nachstehen. Zudem wären diese Hunde weder als Rasse deklarierbar, noch als Mischlinge bereits verbotener Rassen. Die so erzeugten Welpen könnten als Mischlinge „erlaubter“ Rassen importiert und angemeldet werden. Nebenbei bemerkt ist es absolut kein Problem, auch den Schäferhund, Hovawart, Dobermann oder Boxer durch einseitige Zuchtauswahl so scharf zu züchten, daß die Hunde schnell zu einer Gefahr für ihre Umwelt werden würden. Folgerichtig müßten schon bald weitere Rassen auf die schwarze Liste gesetzt werden. Der Versuch, das Problem durch Verbote einiger Rassen lösen zu wollen, führt unweigerlich zu Konsequenzen, die niemand ernsthaft anstreben kann: Arglist und Täuschung wären Tür und Tor geöffnet, und üblen Geschäftemachern stünde eine rosige Zukunft bevor. Auf der Strecke hingegen blieben die Züchter und Hundehalter, die seit langen Jahren sachkundig und verantwortungsvoll mit ihren Hunden umgehen.