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Der Malinois – Superman auf vier Pfoten

Haben Sie schon einmal ernsthaft darüber nachgedacht, Superman zu adoptieren? Falls Sie dabei an den Malinois denken, liegen Sie richtig. Es gibt wohl kaum eine andere Hunderasse, die derart in der Superheldenliga mitspielt, wie dieser belgische Schäferhund. Aber der Malinois hat auch ganz andere Seiten …

Sein Ruhm ist so groß, dass Militär und Polizei sich ­gleichermaßen auf ihn ver­lassen. Als Drogenspürhund untersucht er Reisetaschen im Flughafen, Lastwagen beim Zoll und verdächtige Personenwagen als Helfer der Streifen­polizei. Als Leichenspürhund ist er ausgezeichnet. Als Patrouillenhund sichert er Gebäude, Gelände und die Landesgrenze. Als Schutzhund stellt er flüchtige oder wehrhafte ­Kriminelle und kann auch zwischen Geiselnehmer und Opfer unterscheiden. Als Katastrophenhund wird er über Unglücksstellen mit dem Heli­kopter abgeseilt, um Verletzte und Tote zu finden. Auf der Suche nach Verbrechern wird er durch ­dunkle Gebäude und Fabrikgelände vor­geschickt, um mittels Kamera Informationen zu senden, Verdächtige zu stellen und zu ver­bellen. In Kriegsgebieten arbeitet er als Sprengstoffsuchhund und sichert so das Leben der Soldaten. Auch bei der Festnahme von Osama bin Laden soll er einer der Haupt­akteure gewesen sein. Wenn das nicht der Stoff ist, aus dem teure Actionfilme gemacht werden! Die amerikanische Polizistin Laure erklärt in der 3Sat-Dokumentation „Diensthunde in der Schweiz, USA, Südafrika": „Mich und meine körperlichen Fähigkeiten kann der Verbrecher einschätzen. Den Hund nicht."

Sein unglaublicher Arbeitseifer gepaart mit einer Kondition, der man gewachsen sein will, hat den Mali auch im Hundesport sehr beliebt gemacht. Gerade als Schutzhund und im ­Agility in der Klasse Large dominiert er gerade­zu. Was aber auch den Hundeführer ungeheuer fordert. Denn ein so aufmerksamer Hund deutet jede Geste, gewollt oder ungewollt.

Superman kommt von dem ­Planeten Krypton
Der Mali kommt aus der belgischen Stadt Mecheln, auch bekannt als Malines, wo er auch erst einmal ein Schäferhund, also bereits ein richtiger Gebrauchshund war. „Bis ins 17. Jahrhundert hinein wurden die Schaf­herden in Europa vor allem durch den ­Hirten und nicht von ­Hunden gehütet, die Hunde hielt der ­Schäfer zum Schutze gegen Raubtiere und Diebesgesindel, nicht aber zum Hüten und Treiben der Herde", erklärt der 2008 ­gestorbene Kynologe und WUFF-Autor Hans Räber und beschreibt die sogenannten Schaf­rüden als groß und stark. Auch wurden diese scharfen Hunde zum Schutz von Wild und Schafen vom Hirten an einer Leine oder Kette geführt „und durften nur zur Verfolgung eines Raubtieres oder eines Schafdiebes freigelassen ­werden."

Nach 1648, also mit Ende des Dreißig­jährigen Krieges, nahm die allgemeine Sicherheit in Europa zu. Nicht nur die plündernden Kriegshorden, sondern auch Wolf und Bär waren verschwunden. Ackerbau und Schafhaltung waren jetzt auf dem Vormarsch. Das bedeutete das Ende der großen Schafrüden. Beckman beschreibt das 1895 so: „Mit der Ausrottung der großen Raubtiere und der zunehmenden Sicherheit des Eigentums sehen wir im Laufe der Zeit überall die großen wehrhaften Schafrüden samt ihren breiten Stachelhals­bändern verschwinden, und der Schäfer, welcher früher die Schalmei oder den Dudelsack blasend an der Spitze seiner Herde mit dem angeketteten Hunde marschierte, steht nun eher behaglich auf seinen langen Stab gelehnt und beschränkt sich darauf, seinem allzeit aufmerksamen, flüchtigen Hunde durch bestimmten Zuruf, Pfiff oder Wink die nötigen Befehle zu erteilen." Diese flüchtigen Hunde gingen laut Beckmann aus den rascheren Landhunden hervor, die den Eindruck machten, diesen neuen Aufgaben gewachsen zu sein. „Es waren dies zunächst und ausschließlich jene spitzohrigen und spitz- oder wolfsschnauzigen Hundeformen, welche an die Wildhunde erinnern. Bewährte sich die Wahl solcher Exemplare für den Dienst des Schäferhundes, so suchte man dieselben mit ähnlichen Typen zu paaren." Das Ebenmaß der äußeren Erscheinung und die Haarfarbe interessierte da keinen. Zuverlässigkeit und Ausdauer waren der dringendste Wunsch der Schäfer. Denn wer ­große Herden über zum Teil kultivierte ­Ländereien führt, tut gut daran, das Saatgut möglichst unberührt zurückzulassen. Und um die Schafe daran zu erinnern, wo der Weg ist, muss der Hund beständig um die Herde ­kreisen und sie mit einem bestimmten, aber nicht verletzenden Biss im Zaum ­halten. Ist der Hund zu fahrig, werden die Schafe nervös, was sich auf ihr Wachstum und ihren Muskelaufbau auswirkt. Ist der Hund zu lasch, kann der Schäfer seine Schafe von Hand einsammeln.

Erst seit 1899 war für die kurz­haarige Variante nur die Farbe braunrot zugelassen. Doch laut Räber kümmerten sich die Züchter herzlich wenig um diese Vor­gabe. „Der Belgische Schäferhund war vor 1891 der Arbeitshund der ­Bauern und Schäfer, äußerlich uneinheitlich in Farbe und Haarart, charakterlich und anatomisch aber geprägt von der Arbeit, die er zu leisten hatte." 1891 schließlich bildete sich in Brüssel ein Verein zur Reinzüchtung der belgischen Schäferhunderassen. Sie sammelten 117 Hunde ein, um anhand ihres Aussehens Kriterien für die Zuchtplanung aufzustellen. ­Initiator dieser „Heerschau" war Prof. Reul vom tierärztlichen Institut in Cureghem ­(Belgien). Er empfahl nur noch die Hunde derselben Haarart (langhaarig, ­rauhaarig, kurz­haarig) zu ­paaren. Nach der Gründung des Klubs 1895 erlaubte man schließlich nur noch bestimmte Haarfarben: Schwarz für Langhaar, Rotbraun für Kurzhaar und Grau für Rauhaar – was jedoch für viele gute Hunde den Zucht­ausschluss bedeutete. Daraufhin gründeten deren Halter einen eigenen Klub, was zu einer Änderung des ­Standards und einer Wiederaufnahme der Hunde in den ursprünglichen ­Verein ­führte. Dadurch entstanden die ­heute bekannten Varietäten: Schwarz, langhaarig = Groenendaels, rotbraun, langhaarig = Tervueren, rotbraun, kurzhaarig = Malinois, grau oder ­rotbraun, rauhaarig = Laekenois.

Bereits diese Hunde wurden von der belgischen und französischen Polizei und dem Militär geschätzt, was sich bis heute nicht geändert hat. Übrigens soll E. Van Wezemael 1899 in Gent die erste Polizeihundeschule gegründet haben. Durch den Ersten Weltkrieg und die Besetzung Belgiens kamen die Zuchtbemühungen fast völlig zum Erliegen. So wurden denn, um die Rasse zu erhalten, die Bestimmungen gelockert, und es war bis 1930 erlaubt, Hunde mit derselben Haarart, aber verschiedenen Farben zu verpaaren. Die mischfarbigen Hunde wurden als andersfarben bezeichnet. Auch der Zweite Weltkrieg wütete in den Zuchtbeständen und so wurde zwischen 1945 und 1973 nochmals die Kreuzung von Haar- und Farbvarietäten erlaubt. Heute kommt der Malinois einheitlich daher und zwar mit einer stolzen Schulterhöhe von 56-66 Zentimetern. Er ist deutlich leichter als sein deutscher Vetter und wiegt zwischen 20-30 Kilogramm. Von sandfarben bis rotbraun kommen alle Farbtöne vor und im Gesicht trägt er eine attraktive schwarze Maske.

Superman ist auch Clark Kent
Auch der Mali ist neben all seinen ­herausragenden Eigenschaften in erster Linie ein Hund mit hundlichen Bedürfnissen. Er braucht die Möglich­keit, sich wie ein normaler Hund benehmen zu können, d.h. hundliche Freundschaften schließen und seine Umgebung kennenlernen zu dürfen. Wie es auch der Schweizer Hunde­sportler Walter ­Rusterholz beschreibt, der seit 16 Jahren Malis züchtet und schon über 30 Jahre mit ihnen ­trainiert: „Heute wird der Malinois entweder wie ein Sportgerät oder aber wie ein Mensch behandelt. Er ist aber keines von beiden, sondern braucht eine artgerechte Haltung mit viel Kontakt zum Menschen."

Sein Mensch muss außerdem in der Lage sein, ihn mit Liebe und Umsicht zu führen und sich Zeit zu nehmen, ihm das Hundeeinmaleins sorgfältig zu erklären. Wo es dann bei vielen Hunderassen reicht, wenn sie die Basis gelernt haben, da sollte man dem Mali zuliebe doch auch noch ein paar komplexere Aufgaben hinzufügen. Man muss wirklich keine professionellen Ambitionen haben, um diesem Vierbeiner gerecht zu werden, aber er hat nun mal einen ausgezeichneten Kopf, also lassen Sie ihn diesen verwenden. Sonst dürfen Sie sich nicht wundern, wenn er zu einer richtigen Nervensäge wird. Nur um Sie daran zu erinnern, der Malinois wird dazu gezüchtet, zweieinhalb Meter hohe Mauern ohne Hilfe zu überwinden. Und er tut es! Wenn Sie über keinerlei Hundeplatzambitionen verfügen, können Sie ihn ja zu Ihrem persönlichen Partner im Alltag machen. Bringen Sie ihm bei, die Zeitung, das Bier aus dem Kühlschrank oder Taschentücher zu holen. Skateboard-fahren könnte auch sein neues Hobby werden oder mit Ihnen Frisbee oder Fußball zu spielen. Denn Spielen liebt er und für ein ordentliches Spiel macht der Mali so gut wie alles. Dank kreativer Leute gibt es heute eine Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten für so kluge und ambitionierte Hunde, die den Alltag um einiges facettenreicher machen. Wenn Sie denken, ich übertreibe, dann stöbern Sie mal auf YouTube. Sie werden aus dem Staunen nicht mehr heraus­kommen.

Sie haben sportliche Ambitionen oder wollen professionell mit Ihrem Belgier arbeiten? Bitte trainieren Sie umsichtig und versuchen Sie alles, was Sie ihm beibringen, auf eine solide Basis zu stellen, wo trotz aller Ambitionen die Partnerschaft zwischen Ihnen und Ihrem Hund im Vordergrund steht. Sensible und kluge Hunde wie der Mali brauchen einen soliden, guten, zweibeinigen Freund, der Freude an seiner Kreativität hat und ihm hilft, mit Unsicherheiten gegenüber anderen Hunden und Menschen zurecht­zukommen. Es gibt kaum ein traurigeres Bild als einen verängstigten und aggressiven Schäferhund, der von seinem Halter mit übertriebener ­Härte behandelt wird, weil man das „bei denen so macht". So ein stolzer Hund hat das nicht verdient. Er will ja etwas für Sie tun, also geben Sie ihm eine Aufgabe.

Auch Rusterholz, der selber als Figurant bei vielen Schweizer- und Weltmeisterschaften mitgewirkt hat, gibt zu bedenken: „Bei den Gewinnern solcher Prüfungen nimmt man immer nur den Erfolg wahr, doch welcher manchmal fragwürdige Weg zum Sieg geführt hat, hinterfragt man nicht. Manchmal hat so ein Star in der Hundeszene Hunderte von Hunden ‚verbraucht‘, bis er mit einem richtig Erfolg hat."

Trotz oder gerade wegen seines ­großen Arbeitseifers ist eine wichtige Säule der Erziehung die Auszeit. Der Mali braucht Pausen und Schlaf und muss lernen, sich auch mit Nichtstun zufriedenzugeben. Nicht jede Situation erfordert sein Zutun oder seinen Kommentar. Am besten übt man das von Welpenbeinen an, sodass es für den Belgier selbstverständlich wird, sich auch aus einer Sache raushalten zu können. Eine weitere Säule ist die umsichtige Sozialisation. Versuchen Sie bei diesem überaus sensiblen Hund im ersten Jahr eine möglichst stabile, emotionale Basis aufzubauen. Das Schöne ist, diese Basis erreichen Sie durch viele gemeinsame ­positive Erfahrungen, wie Spiel, lockere gemeinsame Aktivitäten und positive Erlebnisse. Ihr Mali soll sich bei Ihnen glücklich und geborgen fühlen, Sie als Zentrum der Welt erleben. Denn als Einpersonenhund, wie manche Halter sagen, braucht dieser Hund viel Vertrauen, um später schwierige Aufgaben mit Ihnen gemeinsam zu meistern. Wenn er dann mit einem Jahr nicht alles gesehen hat, was es zu sehen gibt, macht das nichts. Es geht ja auch darum, dass er lernt, mit Ungewohntem umgehen zu können.

Aber: Kein Hund für Anfänger!
Brauche ich es noch zu sagen? Der Mali ist kein Hund für Anfänger, unsichere Leute oder Couch-Potatoes. Er ist zu aufgeweckt und braucht daher jemanden an seiner Seite, der seine besonderen Bedürfnisse versteht und richtig einschätzen kann. Weshalb Sie diesen Hund nur dann wirklich wollen, wenn Ihnen ein intelligentes, zeitraubendes und sportliches Hobby fehlt. Übrigens hat der Mali keine Lust, jeden Tag acht Stunden oder mehr auf Sie zu warten, sondern wird sich dann zu einem Innenarchitekten mit ganz eigenem Geschmack entwickeln …

Bei Superman ist es Kryptonit
Auch der Malinois ist nicht verschont geblieben von Erbkrankheiten. Er kennt Hüftgelenks- (HD) und Ell­bogendysplasie, Osteochondrose, ­Epilepsie, Katarakt, Hornhautent­zündung und Kryptorchismus. Auch wenn diese Erkrankungen in ­seriösen Zuchten nicht übermäßig oft vorkommen, sollte man sich beim Züchter seiner Wahl erkundigen, ob er die Krankheiten kennt und wie er dagegen vorgeht. In der Regel müssen alle Hunde, die in die Zucht eingehen sollen, auf HD geröntgt werden. Wobei ­Rusterholz erklärt: „In Frankreich und Belgien sind HD und ED unbekannt. Dort ­werden alle Malis mit Prüfungsordnung ­Belgisch und Französisch Ring geprüft. Was eine starke Prüfung der psy­chischen und physischen Belast­barkeit ist. Hunde mit ­Schwächen haben da keine ­Chance." Manche Züchter befürchten auch, dass einige Hunde zu übermäßiger Nervosität neigen. Bei einem so triebigen und allzeit bereiten Hund tut man gut da­ran, die Aufzuchtbedingungen genau unter die Lupe zu nehmen. Je mehr ­emo­tionale Stabilität in die Wiege oder die Wurfkiste gelegt wurde, desto besser.

Auch der Inzuchtquotient ist ein ­Thema bei den Malis. Fragen Sie Ihren Züchter ruhig danach und versuchen Sie festzustellen, was für ­Bemühungen er auf sich nimmt, um die Hunde gesund zu halten. Wer sich nur um den Ausstellungs- oder Sporterfolg ­kümmert und nicht um die ­gesamte Population, tut der Rasse keinen Gefallen.

Ist Superman eitel?
Der Malinois ist ein pflegeleichter, robuster Hund. Er hat unter seinem kurzen Fell eine wärmende Unter­wolle, die ihn auch bei harschem ­Wetter zu einem ausgezeichneten Begleiter macht. Es lohnt sich, den Belgier regelmäßig ordentlich auszubürsten. Damit wäre die ­Fellpflege bereits erledigt. Krallen und ­Zähne müssen natürlich regelmäßig kontrolliert und nach Bedarf in Stand gehalten werden. Füttern Sie ihn mit einem ­hochwertigen Futter und stellen ihm frisches Wasser zur Verfügung. Ein bequemes Hundebett an einem ruhigen, geschützten Ort gibt auch diesem Hund eine Rückzugsmöglichkeit. Natürlich gehört der regelmäßige Besuch beim Tierarzt auch zum Rundum-Sorglospaket, das Sie Ihrem Hund bieten sollten. Der Mali kann in einer Wohnung glücklich werden, braucht jedoch den entsprechenden Ausgleich auf der Hunde­wiese und mit Kopfarbeit.

Superman und Lois Laine
Gerade der Mali braucht jemanden, der für ihn da ist und mit seinen Superkräften und seinen Unzu­läng­lichkeiten umgehen kann. Dann, und nur dann wird er zu einem ganz besonderen Partner, der der Redewendung gemeinsam durch dick und dünn zu gehen eine ganz neue Dimension verleiht. Wenn Sie dieser ganz besondere Mensch sind, den dieser Heldenhund braucht, dann ­bitte lassen Sie ihn Ihre Welt retten.