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Der Fall Tasso

Der Fall Tasso begann ganz harmlos mit einer Einschaltung in der Kronenzeitung-Tierecke. Da lachte der hübsche Schäferrüde vom Mittelbild und weckte begehrliche Wünsche bei Familie M. aus Pfaffstätten. Flugs reiste das Ehepaar vom Süden Niederösterreichs ins Kremser Tierschutzheim, wo Tasso auf seine Familie „fürs Leben“ wartete. Im hundesportlichen Trainingsanzug begutachteten die beiden Kenner und passionierten Schäferexperten, als welche sie sich selbst bescheiden bezeichneten, den neun Monate alten Rüden. Er, Herr M. nämlich, bilde selbst Hunde aus und wisse, worauf es ankäme, gab man uns zu verstehen. Ausführlich wurde mit Tasso spaziert, über seine Herkunft geplaudert, die heimischen Familienverhältnisse dargelegt. Alles schien perfekt, und so durfte Tasso in den Kombi und mit nach Pfaffstätten.

Den Hund „ausgewechselt“?
Einige Wochen später plötzlich ein erregter Anruf von Frau M. Zufällig war ich zu dieser Zeit im Büro des Tierschutzheimes und betreute das niemals müde werdende Telefon. Ob denn der nachgeschickte Impfpaß nicht angekommen sei, fragte ich besorgt. Nein, nein, der sei schon längst da. Doch es sei da ein anderes Problem ganz plötzlich aufgetaucht. Ihre Pyrenäen Berghündin Dana, die sie einst in Polen gekauft hätte und die seit drei Jahren bei ihnen lebe, vertrage sich einfach nicht mit Tasso. Ich fragte nach, was denn Dana so Böses täte. Nun, sie dominiere den Schäferrüden, und er getraue sich kaum noch an ihr vorbei. Gebissen hätte sie ihn allerdings nicht, nur beknurrt und bedroht. Nun soll der Tasso wohl wieder zurück ins Heim, war mein erster Gedanke. Nein, auf keinen Fall, antwortete Frau M., nicht der Tasso sondern die Dana soll ins Tierheim. Ich traute meinen Ohren nicht.

Rücksichtslos
Kaltschnäuzig war Frau M. bereit, ihre Hündin Dana nach drei gemeinsamen Jahren rücksichtslos abzuschieben. Vergeblich versuchte ich sie umzustimmen, meine Bitten für die arme Dana verhallten im Redeschwall der Anruferin. Der Tasso sei ein so toller Hund, ein Traum, und sie würden sich nie wieder von ihm trennen. Außerdem sei die Dana ihr Hund, und sie hätte einen Bandscheibenvorfall gehabt, der es ihr unmöglich mache, die Pyrenäenhündin zu bändigen. Hatte denn Herr M., der Hundeausbilder, Frauchens Dana gar nichts beigebracht?! Schlußendlich versuchte Frau M., mich zu erpressen, indem sie ins Treffen führte, das Tierschutzheim hätte ja den Tasso auch zurücknehmen müssen. Was wäre, wenn sie doch statt der Dana den Tasso brächte. Das Angebot, Tasso abzuliefern, wollte sie dann allerdings unter keinen Umständen annehmen.
Meine Argumente, daß Danas Verhalten nicht anormal sei und mein Angebot, zwecks Beratung und Situationsentschärfung zu ihr zu fahren, schlug sie ebenfalls aus. So bot ich resignierend an, Dana auf unsere Warteliste zu setzen und ein neues Zuhause für sie zu finden. Frau M. versprach sich zu gedulden.

Täuschungsmanöver
Am darauffolgenden Tag klingelte mein Handy. Eine Nachfrage aus dem Wiener Tierschutzhaus:  Ein Herr hätte angerufen, er wolle eine Hündin namens Dana abgeben, die er aus dem Tierschutzheim Krems übernommen hätte und jetzt nicht mehr brauchen könne. Die Lüge war schnell aufgedeckt, das Täuschungsmannöver der Familie M. offensichtlich. Obwohl auch das Wiener Tierschutzhaus um Geduld ersuchte, bis ein Zwinger frei würde, stand bereits am nächsten Tag ein Bekannter des Herrn M. in der Eingangshalle. An der Leine führte er die arme Dana. Falls das Tierheim sie nicht sofort nehmen würde, wolle Herr M. das Tier erschießen, drohte der Mann. Wiederum behauptete der Überbringer, die Hündin sei aus dem Tierschutzheim Krems. Dana, die im übrigen eine Seele von einem Hund ist, wurde natürlich nicht abgewiesen.

Dummheit und Hysterie
Im Tierschutzheim Krems liefen nun die Vorbereitungen, auch Tasso schleunigst zurückzuholen. Doch ein Anruf von Frau M. kam alldem zuvor. Hysterisch kreischte sie der diensthabenden Tierpflegerin ins Ohr, daß der Tasso sofort abgeholt werden müsse. Er hätte ihrem Pekingesenrüden ein Auge herausgebissen, aber der Tierarzt habe sich geweigert, Tasso einzuschläfern. Der Hund sei total gestört. Tasso wurde nicht geholt, aber noch am selben Tag gebracht. Im Tierschutzheim angekommen, war Frau M. nicht mehr zu bremsen. Der Tasso sei von Anfang an nicht normal gewesen, er habe sogar einmal geknurrt und an der Leine gezogen. Aber es sei ja ohnedies der Hund von ihrem Mann gewesen. Erstaunlich am Rande, daß Frau M. weder hinkte noch sonst unter irgendwelchen Beschwerden zu leiden schien, trotz eines erst einige Tage zurückliegenden schweren Bandscheibenvorfalls.
Tasso ist heute übrigens bei einer Familie mit zwei Hündinnen bestens untergebracht, und auch Dana hat bei lieben Leuten und einem älteren Schäferrüden ihr Glück gefunden. Pech hatte nur der verbliebene Pekingese. Er muß es wohl noch weiter bei Familie M. aushalten.

Ahnungslose Hundehalter
Und die Moral dieser Geschichte? Zwei Hunde verlieren ihr Zuhause, einer sogar sein Auge, weil ihre menschlichen Mitbewohner so wenig Hundeverstand besitzen wie Anstand und Verantwortungsgefühl. Was hatte Dana verbrochen? Nichts. Sie hatte als „alte“ Martriarchin versucht, die bestehende Rangordnung aufrechtzuerhalten und Beißereien im Rudel zu verhindern. Sie zeigte Tasso, was er durfte und was nicht. Sie hatte sich völlig korrekt verhalten. Als Dana aus dem Haus war, nutzte Tasso die nächstbietende Gelegenheit, dem lästigen Pekingesen eins auszuwischen. Der Weg war jetzt endlich frei. Und wie reagierten Herr und Frau M.? Anstatt endlich zu beginnen, die Schuld aller Mißverständnisse bei sich selbst zu suchen, wollten sie auch noch den armen Tasso einschläfern lassen. Gegen soviel Dummheit und Ignoranz ist wirklich kein Kraut gewachsen. Und es geht halt selten gut, wenn man so gar nichts von Hunden verstehen will …