In Österreich ist seit Mitte Januar 2001 eine neue Ländervereinbarung zur Verbesserung des Tierschutzes in Kraft und in Deutschland seit 1. September 2001 ein neues Tierschutzgesetz. In letzterem ist etwas geregelt, das längst die zuständigen Rasseclubs hätten regeln können. Durch dieses Nichthandeln hat man unfreiwillig, aber vorhersehbar, Kompetenz an den Gesetzgeber abgegeben. Durch das Ausstellungsverbot für kupierte Hunde in Deutschland ist die Diskussion um das Kupieren neu entflammt.
Im Rahmen unserer kleinen Serie über langhaarige Hunde, die in der letzten Ausgabe von WUFF mit einem Rasseporträt des Old English Sheepdog begann, befassen wir uns daher heute mit dem Thema „Kupieren", das sich zwangsläufig bei der Beschäftigung mit diesem Hund geradezu aufdrängt, sagt doch sein zweiter, bei uns üblicher Name „Bobtail" aus, dass er ein Opfer dieser Praxis war, wenn auch anfangs nur, um ihn als Arbeitshund zu kennzeichnen und ihn somit Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien von der Steuer zu befreien.
Feilschen um Körperteile …
Dieser „Brauch" wurde dann leider im Rassestandard festgeschrieben und bis zum endgültigen Kupierverbot von den meisten Züchtern beibehalten. Es hat zwar schon immer Züchter gegeben, die sich aus Überzeugung nicht daran gehalten haben, dennoch tauchen erst jetzt die ersten erwachsenen Vertreter dieser bezaubernden Rasse mit ihren prächtigen Ruten auf den Ausstellungen auf. Und ab 1. September 2001 (mit Übergangsfrist bis spätestens 1. Mai 2002) gilt in Deutschland ein generelles Ausstellungsverbot für kupierte Hunde aller Art, was jedoch schon wieder unterlaufen wird (siehe Kasten „Jagdhunde"). Das wird einen allerdings nicht verwundern, ist doch die ganze „Kupier-Angelegenheit" ein einziges Feilschen um ein Stückchen Ohr hier oder ein Stückchen Rute dort!
Erfahrungen mit kupierten Hunden
Jeder Halter eines kupierten Hundes (Ohr oder Rute) hat sicher seine Erfahrungen auch mit den „Spätfolgen". Ich selber hatte eigentlich keine andere Wahl, als einen kupierten Bobtail zu nehmen, da die Rute nun mal „weg" war. Vom erwachsenen Hund her gesehen, leidet mein Bobtail Eric in gar keiner Weise, hat er doch auch überhaupt keine Probleme mit dem verbliebenen „Stummelschwanz" (Bobtail) und ist auch so selbstbewusst, dass er nicht unter Missverständnissen bei der innerartlichen Kommunikation leidet. Das alles mag bei manch anderem Bobtail schon ganz anders aussehen: Manche Züchter und Halter berichten, dass ihre völlig friedlichen Tiere von stark verunsicherten fremden Hunden grundlos angegriffen und arg gebissen wurden, wobei sie nur ihr dichter „Pelz" vor Schlimmerem bewahrte. Die Angreifer müssen wohl die fehlende Rute als Zeichen der Angst gedeutet ( „eingezogene Rute") und sich dann an die sonst imposanten Tiere herangewagt haben.
„Behaarte" Mimik
Hinzu kommt ja noch beim Bobtail durch die starke Behaarung, dass auf den ersten Blick eine Mimik so gut wie überhaupt nicht zu erkennen ist. Nach meinen Erfahrungen beschränken sich solche Missverständnisse jedoch überwiegend auf den ersten Kontakt mit Artgenossen. Nach näherem Kennenlernen funktioniert dann auch die Kommunikation fast perfekt. So stoppte eine nette, aber „freche" Schäferhündin sofort ihren spielerischen Angriff auf eine winzige Bewegung einiger Schnauzenhaare hin (Lefzen hochgezogen, Zähne „gezeigt"), die ihr bedeuteten, dass es meinem Eric nun „reichte".
Wenn ich also von meinen erwachsenen Bobtails ausgehe, so hat meiner Meinung nach keiner jemals unter der fehlenden Rute gelitten. Ihre Bewegungen waren und sind wundervoll koordiniert und absolut kontrolliert! Aber: Auch wenn der Bobtail nun eigentlich seinen Namen bei uns im deutschsprachigen Raum nicht mehr „verdient" und sein bärenhaftes Erscheinungsbild verliert, so gönne ich ihm doch von ganzem Herzen seine Rute, mit der er mir noch mehr zu „erzählen" vermag.
Rigoroses Ausstellungsverbot
Wie die meisten anderen Tierfreunde auch, von denen sich einige z.B. vehement im Petmedia-Hunde-Forum (www.petmedia.at) gegen ein Kupieren jeglicher Art ausgesprochen haben, hoffe ich auf ein vollständiges Kupierverbot in allen Ländern, welches wohl nur durch ein rigoroses Ausstellungsverbot in den Griff zu bekommen ist, auch um den widerlichen Kupiertourismus zu unterbinden.
Was nämlich Kupieren wirklich bedeuten kann, entnehmen Sie bitte dem anrührenden Bericht einer Bobtailzüchterin (siehe Kasten), deren erste Begegnung mit dem Kupieren von Bobtailwelpen dramatischer nicht hätte sein können. Sie hat uns ihren Bericht nach Jahren des Schweigens auf unsere Bitte hin zur Veröffentlichung freigegeben. Die Züchterin meines eigenen Hundes, Frau Korn von den „Kö-Pi’s 599", ist mittlerweile voll begeistert von den nun endlich vollständigen, harmonisch gebauten Hunden (www.bobtails-599.de). Vielleicht wird nun auch der „Bobtail" es seinem Vetter, dem Bearded Collie, nachmachen können, der mit seiner Rute schon immer beim Rettungsdienst über die schwierigsten Hindernisse hinwegbalancieren konnte! Wer weiß? Kämpfen wir für die Unversehrtheit unserer besten Freunde!
>>> WUFF – INFORMATION
Jagdhunde werden weiterhin kupiert. Warum eigentlich?
von Dr. Ingeborg Radinger
Mit welcher Berechtigung sollen eigentlich die Ruten bei jagdlich geführten Rassen auch weiterhin kupiert werden? Betrachtet man sich mal die gängigen Jagdhundrassen, so stellt man fest, dass einige von ihnen kupiert werden, andere dagegen nicht. Die meisten deutschen Vorstehhunde (Deutsch Drahthaar, D. Rauhaar, D. Kurzhaar, Weimeraner) wurden/werden kupiert – der Deutsch Langhaar dagegen nicht. Gerade er aber hat eine ausgeprägte Fahne an der Rute, wodurch er doch viel eher im Unterholz hängenbleiben kann. Gleiches gilt für die Setter-Rassen, die ebenfalls niemals kupiert wurden. Münsterländer werden genauso wenig kupiert, wie die diversen Retriever-Rassen. Terrier dagegen werden kupiert. Wozu? Stört die Rute bei der Arbeit am Bau? Wenn dem so ist, wieso wird dann der ebenfalls für die Bauarbeit benutzte Teckel nicht kupiert?
>>> WUFF – INFORMATION
Österreich: Gesetzesdschungel der Bundesländer
eine Recherche der WUFF-Redaktion
Die Frage des Kupierens ist in Österreich in allen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Eine am 18.1.2001 in Kraft getretene, von allen Landeshauptleuten unterzeichnete, sog. „§15a Ländervereinbarung zur Verbesserung des Tierschutzes" verbietet das Kupieren von Ohren und Ruten prinzipiell, sieht aber eine Übergangsfrist vor. WUFF hat sich bei verschiedenen Behörden in Wien und Niederösterreich sowie beim engagierten Tierschützer und Tierrechtsjuristen, dem Salzburger Dr. Norbert Schauer, umgehört, wie nun die rechtliche Situation derzeit gehandhabt wird.
Dr. Norbert Schauer: „Derzeit wird in einigen Bundesländern an den Tierschutzgesetzen gebastelt (Oberösterreich, Vorarlberg, Kärnten). Diese Gesetzesänderungen sind noch nicht in Kraft. In Niederösterreich, Oberösterreich und Vorarlberg ist das Kupieren von Ohren und Ruten bei Hunden erlaubt, in Oberösterreich jedoch nur bis zu einem Alter von 4 Wochen. In Tirol und Vorarlberg ist bei Hunden, die älter sind als 3 Tage, eine Betäubung erforderlich. In Kärnten ist das Kupieren von Ruten erlaubt. In Wien jedoch nur dann, wenn dies von einem Tierarzt vorgenommen wird. In der Steiermark ist jeder Eingriff, der entsprechend von Rassenmerkmalen dient, verboten. Lediglich Burgenland beinhaltet diesbezüglich keine konkreten Vorschriften. Das Tiroler Tierschutzgesetz verbietet ausdrücklich das Kupieren von Hundeohren".
Wie steht es dann mit der §15a Ländervereinbarung, nach der das Kupieren generell verboten ist? Dr. Schauer: „In Kraft trat diese Vereinbarung am 18.01.2001. Die zur Durchführung dieser Vereinbarung notwendigen landesrechtlichen Gesetzesänderungen sind spätestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung in Kraft zu setzen, also bis spätestens 18.01.2003. Eine weitere Übergangsfrist gibt den Ländern nochmals eine Galgenfrist zur Umsetzung dieser Bundeländervereinbarung: Länder, in denen nach dem 1. Jänner 1996 landesgesetzliche Regelungen im Sinne des Art. 1 in Kraft getreten sind, die den Anforderungen dieser Vereinbarung nicht voll entsprechen, haben die zur Durchführung dieser Vereinbarung noch erforderlichen landesgesetzlichen Vorschriften spätestens 5 Jahre nach dem Inkraftreten dieser Vereinbarung in Kraft zu setzen. In diesem Fall ist ein vereinbarungsgemäßer Zustand erst mit 18.01.2006 herzustellen!"
Unabhängig davon ergibt sich ein interessanter Aspekt aus persönlichen Informationen des Wiener Landesveterinärs Mag. Hermann Gsandtner sowie der für den Tierschutz im Amt der niederösterreichischen Landesregierung zuständigen Frau Dr. Breier. Beide Tierärzte sind – wenngleich es dabei um die Frage elektrisierender Dressurgeräte geht (siehe Artikel „Ohne Maulkorb" auf Seite 55) – der Meinung, dass im Wiener und im niederösterreichischen Tierschutzgesetz bereits heute Dinge verboten sind, auch ohne sie explizit zu bezeichnen, wenn sie dem Tierschutzgesetz widersprechen, welches verlangt, ein Tier artgerecht zu halten. Und dies ist beim Kupieren spätestens nach dem von Österreich bereits ratifizierten Europaratdokument über chirurgische Eingriffe an Heimtieren sowie der §15a Ländervereinbarung der Fall. Wie die Praxis nun gehandhabt wird, bleibt abzuwarten. Solange kein Kläger auftritt …
>>> WUFF – HINTERGRUND
Bruch eines Tabus:
Lüge und Selbsttäuschung
Eine Bobtailzüchterin berichtet über das Kupieren aus eigener Erfahrung*)
Kupierverbot? Ein rotes Tuch für mich und meine beste Freundin – denn Bobtail muss Bobtail bleiben. Und die Rute? Die verfälscht den ganzen Hund ! Aber noch hatten wir selber keinen Wurf in die Welt gesetzt … Er fiel dann endlich, der ersehnte A-Wurf, nach vielen vorhergegangenen Pleiten, Pech und Pannen in anderen Deckversuchen mit Hündin Aura. Und der dritte Tag des Kupierens sollte auf uns zukommen. Der Tierarzt kommt – wider seinen Willen, da er das Kupieren hasst – termingerecht zur Wurfkiste. Wir haben alles vorbereitet: Uns sowieso seelisch, mit Spannung und komischem Gefühl in der Magengegend, was uns erwartet. Dann steht auch der Tisch mit sterilen Tüchern etc.. Die Mutterhündin haben wir ins Auto gesperrt und weit weg geparkt. Mich kann so leicht nichts erschüttern, da ich schon bei vielen Operationen an meinen und befreundeten Hunden assistiert habe. Der Doc klingelt, sein Gesicht ist auf dem Tiefpunkt, so kenne ich ihn sonst nicht. Es kommt noch mal die Frage, ob ich es mir nochmals gut überlegt hätte. Natürlich ein spontanes „Ja" von mir zum bevorstehenden Ereignis.
Knirschen – und Welpengeschrei
Vorbereitungen werden getroffen, OP-Werkzeuge werden ausgebreitet, die Spannung steigt – uns ist mulmig. Dann kommt die Aufforderung zum ersten Welpen: „Auf den Tisch"! Ich nehme das erste Opfer, halte es rückwärts zur OP-Schere. Der richtige Punkt wird gefunden, und knirsch-knacks, ein ohrenbetäubendes Geschrei vom Welpen, mir dreht sich der Magen um, meiner Freundin, daneben sitzend, kommen die Tränen, mir auch. Der Welpe wird nach einigen Sekunden ruhiger, das Geschrei geht in Wimmern über, dann der zweite Schnitt in den überstehenden Wirbel – logisch, denn man kann ja nicht bis an den After schneiden, der würde sonst verletzt werden. Also muss der Doc in der frischen Wunde nach dem noch zu entfernenden Wirbel wühlen und erneut schneiden, damit kein Stummel stehen bleibt. – Wieder das entsetzliche Schreien des Welpen, blutstillendes Pulver, und einige Sekunden wimmert es weiter, schreit wieder auf beim 2-Stich-Nähen und kommt dann, weiter wimmernd, in die Kiste zurück.
Die letzten blieben unkupiert
Mit zitternden Händen nehme ich den zweiten Welpen auf den OP-Tisch – bin mir nicht mehr so sicher, ob das alles so richtig ist. Meine Freundin wendet das Gesicht ab und weint, ich auch … Die gleiche Prozedur habe ich 4x über mich ergehen lassen, dann habe ich aufgegeben. Die letzten beiden Welpen blieben unkupiert, mein Doc hat sich gefreut – für die Hunde. Die Mutterhündin kehrt zurück zur Kiste, sie leckt sehr viel an den „Verletzten", nimmt das achtstündige, bis fast Mitternacht anhaltende Gewimmer der Kupierten recht gelassen hin, was man der Mutter nur zugute halten kann. Andere Hündinnen reagieren auch anders.
Lüge und Selbsttäuschung
Wenn mir vielleicht einer erzählen will, die Welpen würden noch nichts spüren in dem Alter – vieles gelogen und Selbsttäuschung. Nach einigen Recherchen bei anderen Züchtern hörte ich u.a. Kommentare wie: „Wenn ich selber dabei sein müsste, dann würde ich keinen Bobtail mehr züchten." Oder: „Ich gebe meine Welpen beim Doc ab und warte dann auf seinen Anruf, wann ich sie wieder abholen kann, anders könnte ich es nicht ertragen!" Oder: „Ich schicke meinen Mann, der hat die Nerven, das über sich ergehen zu lassen". Und jetzt fragen wir uns: Ist das das ehrliche Kontingent an Züchtern, die das Kupierverbot verherrlichen? Ich weiß nur eines: Das Kupieren ist eine doppelt grausame Amputation eines gesunden Körperteiles bei lebendigem Leibe.
Ich habe nun immer noch einen unkupierten Bobtail in meinem Hause, der schon ohne Rute mindestens 5x hätte verkauft sein können, und frage mich: „Warum?" Er kam wie seine kupierten Geschwister auf dem Junghunde-Tag in Holland in die engere Auswahl zur Platzierung mit der Bewertung u.a. „vorzüglicher Rutenansatz". Mir und meiner Freundin bleibt nur anzumerken: Wer noch nie einen Bobtail mit Rute in seinem Hause hat aufwachsen sehen, der weiß eigentlich nicht, was ihm an seinem Hund entgangen ist. Wir sind heute beide dankbar dafür, dass der Rüde noch da ist und uns bewiesen hat, wie schön in der gesamten mensch-hundlichen Kommunikation ein Bobtail mit Rute sein kann – nein, sorry, er ist ja ein liebenswerter Old English Sheepdog!
*) Dieser Text wurde uns nur unter der Voraussetzung zur Verfügung gestellt, dass der Name der Züchterin nicht genannt wird. Diesem Wunsch haben wir entsprochen.
>>> WUFF – INFORMATION
Kupiergrund Gesundheitsvorsorge?
von Dr. Ingeborg Radinger
Seitens der Züchter wurde als Pro-Kupier-Argument immer wieder die Verletzungsgefahr angeführt. Dieses Argument ist allerdings so absurd, dass man nur den Kopf schütteln kann. Beispiel: Den Spaniels wurde die Rute relativ kurz kupiert, damit sich diese Rassen beim Buschieren (=Stöbern im Unterholz) die Rute nicht an den Zweigen anschlagen. Spaniels haben ein sehr freudiges Rutenspiel und wedeln bei der Arbeit heftig mit dem Schwanz. Nun muss man sich aber fragen, warum diesen Hunden zu keiner Zeit die Ohren kupiert wurden. Sie haben größtenteils sehr lange Behänge, die zudem auch noch mit lockigem Fell bestückt sind. Wunderbar geeignet, jedes Stöckchen und jede Klette einzusammeln. Von Grannen, die sich im Gehörgang verfangen, ganz zu schweigen. Will man also Gesundheitsvorsorge als Kupiergrund anführen, so wären gerade die Spaniels DIE Rassen, die für das Kupieren der OHREN am ehesten geeignet gewesen wären. Statt dessen wurden die Ohren aber bei einigen Spanielrassen immer länger und länger bzw. extrem tief angesetzt gezüchtet. Was für ein Widerspruch!
Kupieren ist bloße Modetorheit
Boxer, Rottweiler und auch Dobermann gehören nicht zu den Jagdhunden. Wobei drohte ihnen denn die Verletzungsgefahr? Bei ihrer Arbeit als Schutzhund? Dann müsste man dem Deutschen Schäferhund auch die Rute abschneiden. Wäre Verletzungsprophylaxe der tatsächliche Grund für das Kupieren der Rute, dann müsste man konsequenterweise dem Hund – und auch dem Menschen? – alles beizeiten abschneiden, was er sich einmal verletzen könnte. Spätestens dieser Gedankengang legt dar, wie absurd das Verletzungsargument ist. Letztlich läuft es immer wieder auf dasselbe Ergebnis hinaus: Das Kupieren der Rute ist eine Modetorheit, die durch nichts zu begründen ist!