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Auf dem Wege zur „Sicherheit"?

Ich bekenne, dass mich dieses Thema persönlich unendlich beunruhigt und bewegt, doch will ich versuchen, dem so wenig als möglich Ausdruck zu geben. So glaube ich dem Leser den bestmöglichen Dienst zu erweisen: ihn so sachlich als möglich zu informieren, ohne ihn durch vorweggenommene Wertungen in seinem Urteil zu beeinflussen.

Verfälschte Normalität
Es muss nicht wiederholt werden, was hinreichend geläufig ist, nämlich, dass sich nichts zum Guten geändert hat, keine Beruhigung in der (Be)Wertung von Hunden stattgefunden hat. Die Beruhigung und Besinnung bleibt aus, erschreckend lange schon. Kein ordnender Widerstand regt sich, wenn weiterhin Hunde gemäß ihrer Rassezugehörigkeit „böse" oder „lieb" sein sollen, so wie suggeriert. Die Folgen der Auflistung der „ganz Gefährlichen", der sog. Kat. 1 – Hunde (ein schrecklich versachlichender Ausdruck, dem rein verbal eine tückische Beschwichtigung innewohnt) oder der anderweitig Gelisteten, und der ihnen auferlegten Restriktionen habe positive Effekte gezeigt, so eine zuständige Ministerin: „Ich kann heute sagen, dass die Umsetzung der Vorgaben der Landeshundeverordnung zu einem normalen Verwaltungsablauf der Behörden und Hundebesitzer geworden ist" (12. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, öffentlich, Bärbel Höhn). Die Gesetze also greifen, es wird alles gut, die Hundehalter leben mit ihren Hunden in Frieden? Mitnichten, der Alltag lehrt täglich Gegenteiliges. Die Medien berichten wohl weniger, und wenn sie berichten, ist mehr Positives über Hunde und Menschen dabei. Das ist gut, verfälscht jedoch eine Normalität, die nicht gelebt wird.

Obsolete Ansichten
Ein zentrales Dogma eben ist ganz falsch und es hält sich eisern in bestimmten Köpfen: die schlichte Annahme, man könne die Vita eines Hundes an seiner Rasse ablesen. Prophylaxe durch die Kategorisierung der a priori „Bösen" und der „Liebgeborenen". Dass so gut wie jegliches Verhalten bei Angehörigen der Klasse der Säugetiere durch ein feinverzahntes Zusammenspiel genetischer Dispositionen und Erfahrungen, Lernprozesse auf differenzierteste Weise entsteht, lernen wir in der Schule. Wurde dieses versäumt, so werden im ersten Semester der Biologie entsprechende Kenntnisse, die seit Jahrzehnten Allgemeinwissen sind, verbreitet. Die Entwicklung jeglicher Merkmale ist ein interaktives Phänomen, welches den Genotyp eines befruchteten Eies und die Umgebung des sich entwickelnden Organismus einbezieht. Es gibt keinen „Aggressionstrieb", der ab und zu „entladen" werden muss, auch wenn der eine oder andere Hundesportler dieses als Argumentationshilfe für sein Tun gerne hätte. Diese Ansichten sind obsolet.

Tierschutzrelevanz und Gefährdungspotenzial
Der Hinweis (von politischer Seite) selbst auf genetische Dispositionen und die obligatorischen Lernvorgänge bei Säugetieren kann schwerlich als Untermauerung der „Gefährlichkeit" von Rassen herangezogen werden. So etwas jedoch geschieht als Argumentationshilfe für die Rassekategorisierungen. Prädispositionen gibt es für den weit zu fassenden Begriff des Sozialverhaltens, so auch das obligat als Regulativ zu ihm gehörende Aggressionsverhalten. Auch dieses ist biologisches Basiswissen. Aggressionsverhalten, also Kompetition, Streiten und Kämpfen, von gruppenlebenden Säugetieren, ist unverzichtbar für ihr Zusammenleben. Gefährlich sind Hundehalter, die ihren Tieren keinen sozialen Status zuweisen können bzw. Hunde so aufwachsen lassen, dass diese Deprivationserscheinungen (Fehlentwicklungen durch sozialen Erfahrungsentzug) davontragen. So können Gefahrenmomente verstärkt entstehen.
Tierschutzrelevanz und Gefährdungspotenzial gehen Hand in Hand (FEDDERSEN-PETERSEN, D. , 1991: Aggressive Hunde – ein Tierschutzproblem. Schutz des Tieres vor Missbrauch durch den Menschen bedeutet Menschenschutz). Diese ältere Publikation schrieb ich nach Anregung und fruchtbarer Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Goldhorn, dem langjährigen 1. Vorsitzenden der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT).

Große Varianz bei Wesenstests!
Gut, ich höre auf, ist uns allen doch sattsam bekannt, dass wir stets Individuen meinen, wenn die bekannten Wertungen, Eingruppierungen vorgenommen werden. Und dass der Weg zum gefährdenden Hund etliche Ursachen hat, in die stets der Mensch verstrickt ist. Warum also wiederholen wir, etwa wie Aufziehpuppen, immer noch dieses Lied vom Individuum, das gemeint sein muss, nicht die Rasse? Weil es nötig ist. Weil es genug Stimmen gibt, die die Hundewelt rassereguliert haben wollen, weil letztendlich bedeutet, dass Regulierung zur Reduktion führen soll.
Es ist alles in Ordnung? Ich denke an die Hundehalter, die zitternd zum Wesenstest gehen, der Hund zittert mit, er ist sozial, er nimmt Anteil. Die Varianz unter den Tests ist von Bundesland zu Bundesland groß, diejenige unter den Testern auch. Großartig ist, dass in Niedersachsen nach dem Lüneburger Urteil kein Hund mehr eingeschläfert werden darf, allein aufgrund seiner Rassezugehörigkeit. Allerdings muss er den Test mitmachen. Müssten dieses alle Hunde, etwa als Kriterium zur Zuchtauswahl, wäre mir wesentlich wohler. Großartig auch der Mut der Schleswiger Richter, die wissenschaftlichen Gutachten und Veröffentlichungen, die es ja gibt, richtig zu lesen – und daraufhin die Rassenlistung zu verbieten. Da bedarf es also nicht der Intrigen, um Wissenschaftler zu zermürben, um nur ja Recht zu behalten, den hastig eingeschlagenen Weg, der sich als falsch erwies, nicht zu verlassen. Es geht durchaus anders.

Menschen leiden unter der Hundehatz
Menschen lieben ihre Hunde, in aller Regel, und sie leiden außerordentlich an der ihnen wie dem Tier zugemuteten Hatz. „Einen normalen Verwaltungsablauf der Behörden und Hundebesitzer" kennen letztere kaum, die, wie Aussätzige oder Täter behandelt, abends oder nachts mit ihrem Hund durch die Straßen schleichen, die es sich gefallen lassen müssen, als „Gesocks" beschimpft zu werden. Wer den Hund der falschen Rassezugehörigkeit führt, lebt nicht mehr wie früher. Er wird vogelfrei, und so manch ein Bürokrat führt ihn regelrecht vor. Auch unter den Hundetests gibt es äußerst unrühmliche Akte der Menschendemütigung. Es geht um Macht, um die Macht in den Händen derjenigen, denen Anerkennung im Leben versagt blieb, die subaltern sind und nun Entscheidungen fällen dürfen. Es sei nichts pauschaliert, etliche Menschen bemühen sich redlich, aus dem Desaster herauszuhelfen, pragmatische Hilfe vor Ort zu leisten. Und es gibt eine enorme Zivilcourage unter etlichen Hundehaltern, die sich schlicht nicht gefallen lassen, dass man mit ihnen verfährt wie angedeutet. Aber auch sie sind da: die Rettergrüppchen, die Hundehelden, die keine Kooperation wollen, vielmehr gegen jeden hetzen, der neben ihnen auch helfen möchte, die keine Konkurrenz dulden. Es ist wieder einmal Hochzeit für Intrigen und Verleumdungen. Es ist eine schlimme und schwere Zeit.
Vergessen wir doch bitte nie, dass wir Verantwortung tragen für alles, was unseren Haushunden geschieht. Hunde sind unsere engen tierlichen Begleiter, wir sind ihre Selektionsinstanz. Wann endlich wird dort eingegriffen, wo diese Instanz versagt?

Verlust sozialethischer Werte
Wie groß der Werte – Verlust sein wird, wenn uns die Hunde abhanden kommen, ist nicht zu ermessen, für mich ein Indikator eines fortschreitenden Abschiednehmens sozialethischer Werte. Die Sicherheit eines jeden Bürgers vor Übergriffen gegen sein Sein, ist eine wichtige politische Aufgabe. Sie sollte jedoch angemessen und wirkungsvoll in Bezug auf die jeweilige Gefahrenquelle sein. Und sie darf nicht zum Wahlkampfthema instrumentalisiert werden. Ein Leben, das der Fähigkeit eines jeden, eigenes Verhalten nach bewusst ethischen Maßstäben auszurichten, fördert und erhält, ist ein politischer Auftrag, der in Machtdenken und finanzieller Ausrichtung unterzugehen scheint. Die geschilderten Maßregelungen und ihre Folgen tragen unheilvoll zu diesem Prozess bei.




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Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen
ist Fachtierärztin für Verhaltenskunde und leitet die verhaltensbiolog. Arbeitsgruppe am Inst. f. Haustierkunde an der Universität Kiel. Sie hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Bücher veröffentlicht, darunter die bekanntesten:
• „Ausdrucksverhalten beim Hund", Emke 1995,
• „Hundepsychologie", Kosmos 2000,
• „Menschen und ihre Hunde", Kosmos 2001.