Scroll Top

Tierphysiotherapie in Österreich – Eine rechtliche Grauzone

Das Thema Tierphysiotherapie ist in Österreich rechtlich nicht ­eindeutig geregelt und so wird sie zunehmend auch von Leuten angeboten, die kein veterinärmedizinisches Studium ­abgeschlossen haben. Sie nennen sich „veterinärmedizinisch geprüfte Tier­physiotherapeuten“, „Veterinärphysiotherapeut“ oder „Tier­physiopraktiker“. Einige machen ihre Ausbildungen berufsbegleitend an Wochenenden oder mit Fernlehrkursen. Die Tierärztin Mag. Verena Tragauer klärt auf und gibt Tipps, ­worauf Sie als Tierhalter unbedingt achten sollten.

Ihr treuer Liebling wurde vor ­kurzem operiert? Eine aufwändige Gelenksoperation, vielleicht gar ein künstliches Gelenk oder ein kompli­zierter Eingriff an den Bandscheiben war unumgänglich? Und nun muss er wieder mühsam und kraftaufwändig Ausdauer und Koordination erlernen? Möglicherweise ist Ihr Gefährte aber auch schon in die Jahre gekommen, leidet unter Gelenksverschleiß und Arthrose, bewegt sich nicht mehr so gern und die Muskeln sind schwach und haben deutlich an Kraft verloren.

Für uns Menschen ist die Physiothera­pie nach Verletzungen, Operationen und bei Arthrose seit Jahrzehnten selbstverständlich. In der Tiermedizin ist Tierphysiotherapie erst seit einigen Jahren für unsere Hunde eine wert­volle Möglichkeit, Schmerzen zu verringern, Muskeln, Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer deutlich zu verbessern. Die Tiere gewinnen dadurch deutlich an Lebensqualität. WUFF hat bereits in einigen Artikeln über die Möglichkeiten der Tier­physiotherapie berichtet.

Natürlich will jeder Hundehalter das Beste für seinen Hund und wenn eine Physiotherapie notwendig wird, zögert wohl kaum jemand, diese seinem treuen Begleiter auch zu ermöglichen. Aber: „An wen soll ich mich wenden, wenn mein Tier einen Physiothera­peuten braucht?“ Bzw. sollte die eigent­liche Grundfrage lauten: „Wer ist für die Tierphysiotherapie qualifiziert genug?“ Oder möchten Sie von einem Zahnarzt behandelt ­werden, der eigentlich gelernter Buchhalter ist und in Wochenend­kursen und an seinen freien Abenden die Tätigkeit am Zahn in kürzester Zeit erlernt hat? Zugegeben, dieser Vergleich klingt äußerst provokant, spiegelt aber ein wenig die Realität zum Thema Tierphysiotherapie in Österreich wieder.

Das Berufsbild des Tierphysiotherapeuten gibt es in Österreich eigentlich nicht. Obwohl der Paragraph 12 des Tierärztegesetzes sehr klar darstellt, dass Behandlung und Therapie (wie der Name schon sagt, ist auch die Physiotherapie eine Form der Therapie) ausschließlich dem Tierarzt vorbehalten ist. Seit einiger Zeit wird Tierphysiotherapie auch von Personen angeboten, die kein veterinärmedizinisches Studium abgeschlossen haben. Sie nennen sich „veterinärmedizinisch geprüfte Tierphysiotherapeuten“, „Veterinärphysiotherapeut“ oder „Tierphysiopraktiker“. Einige machen ihre Ausbildungen berufsbegleitend an Wochenenden. Andere wieder absolvieren Fernlehrkurse zu diesem Thema, da wird die Tierphysiotherapie dann daheim auf dem Sofa „gelernt“. Diese Ausbildungsstätten verdienen ausgezeichnet an ihren Kursen, denn die Aussicht, in kürzester Zeit und ohne jahrelangen Aufwand etwas zu erlernen, was in weiterer Folge die Möglichkeit bietet, mit Tieren zu arbeiten und damit auch noch Geld zu verdienen, ist sehr verlockend. Sicherlich mag es unter diesen Absolventen auch durchwegs kompetente Personen geben, aber es ist eine Tatsache, dass es keinerlei Qualitätssicherung oder Richtlinien für diese Ausbildung gibt.

Kein Wunder, dass bereits eine ­dieser in Österreich ansässigen Schulen von einer Schülerin geklagt wurde. Das zuständige Bezirksgericht gab der Klägerin in erster Instanz Recht und bezeichnete „eine Ausbildung im Tätigkeitsbereich der gewerblichen Tiermassage“ als illegal und ein physio­therapeutisches Tätigwerden eines Nicht-Veterinärmediziners „grundsätzlich als strafbare Handlung“. Nur zum Vergleich: Humanphysiotherapeuten müssen nach einer Aufnahmeprüfung eine 3-jährige Vollzeitausbildung hinter sich bringen, bevor sie arbeiten dürfen. Tierärzte haben sich in einem jahrelangen Studium umfangreiche Kenntnisse der Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre angeeignet. Erst wenn diese Tierärzte sich nach ihrem absolvierten Studium auf dem Gebiet der Physiotherapie und Rehabilitation weiterbilden, können sie als Physiotherapeuten arbeiten. Seit fast 10 Jahren gibt es auch die Spezialisierung zum Fachtierarzt für Physiotherapie und Rehabilitation.

Mittlerweile hat sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG)abermals damit beschäftigt, inwieweit nun Laien an Vierbeinern, welche der Physiotherapie bedürfen, „Hand anlegen“ dürfen. Gemäß Paragraph 24 des Tierärztegesetzes ist es möglich, „dass ein Tierarzt eine Hilfsperson zur Mithilfe heranziehen darf, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen sowie unter ständiger Aufsicht und Anleitung handelt“. Soll heißen, wenn Sie bei Ihrem nächsten Tierarztbesuch von diesem gebeten werden, eine Lampe zu halten, um ihn bei der Unter­suchung zu unterstützen, wurden Sie zur Hilfsperson. Falls sie aber Schaden anrichten – der Hund verschluckt die Lampe oder verletzt sich daran – ­haftet alleine der Tierarzt für Ihren Fehler. Der Tierarzt ist verantwortlich für jeden Schaden, den die Hilfsperson verursacht, die er selber zur Mithilfe herangezogen hat!

Auch wenn Sie Ihr Tier von einem Laien physiotherapeutisch behandeln ­lassen und dieses Schaden nimmt, muss der überweisende Tierarzt für den ­Schaden aufkommen. Eine Tat­sache, die diesem möglicherweise nicht bewusst ist. Nachdem das Berufsbild des Tierphysiotherapeuten ohne ­Studium der Veterinärmedizin aus rechtlicher Sicht nicht existiert, verweigern auch zunehmend Versicherungen den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Laien, was bedeutet, dass im Schadensfall schließlich der Tierhalter auf der ­Strecke bleibt.

Ebenso gibt es eine Stellungnahme der österreichischen Tierärztekammer zur Tierphysiotherapie: „…Soweit daher Physiotherapie durch Laien zur Anwendung gelangt, kann diese lediglich als Hilfestellung im Rahmen einer durch den Tierarzt vorgenommenen Diagnose und Therapie unter dessen Aufsicht erfolgen … eine eigenständige Heilbehandlung kann nur durch den Tierarzt erfolgen … andere Personen, auch solche, die eventuell eine fundierte Ausbildung erfahren haben, können nur als Hilfsperson zur Mit­hilfe bei der Behandlung herangezogen werden. Eine bloße Überweisung zur Behandlung ist dagegen nicht ­möglich.“

Möchten Sie eine Physiotherapie für Ihren Hund in Anspruch nehmen, ist es unumgänglich, eine physiotherapeutische Erstuntersuchung durchzuführen. Erst danach kann ein individuell auf Ihren Hund abgestimmter Therapieplan erstellt werden. Beides, sowohl die physiotherapeutische Erstuntersuchung als auch die Aufstellung des Therapieplans, muss laut Tierärztegesetz von einem Tierarzt durchgeführt werden.

Einige Tierärzte haben vor kurzem den „Verein der Physiotierärzte Austria“ (PTA) gegründet. Der Verein stellt eine Interessensgemeinschaft der Tier­ärztinnen und Tierärzte in Österreich mit Spezialausbildung in Tierphysiotherapie dar. Wir möchten Ihnen als Tierbesitzer, aber auch Ihrem Haustierarzt die Suche nach qualifizierten Tierphysiotherapeuten in Ihrer Umgebung erleichtern. Nähere Infos gibt es unter www.physiotierarztaustria.at

Es bleibt zu hoffen, dass die Qualität der Tierphysiotherapie in Österreich erhalten bleibt und sich ein besserer Informationsfluss zwischen Physiotierarzt, Patient und überweisendem Tierarzt etabliert.

WUFF-INFORMATION

Verein der Physiotierärzte Austria (PTA)

Mag. Verena Tragauer
1010 Wien, Singerstraße 30
office@PTA.at
www.physiotierarztaustria.at